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Fieberrasereien. Und uns, seinen Pflegern, fehlte jegliche Erfahrung. Die Natur mußte sich also hier selbst helfen. Vierzehn Tage lang schwebte unser Patient zwischen Leben und Tod, und alles, was wir ihm zur Linderung seiner Leiden bieten konnten, waren Früchte und Wasser.

Ich wußte nicht viel mehr von ihm, als daß er mein Landsmann war, und daß ich ihn als meinen Vorgesetzten, als den ersten Leutnant der Korvette „Wolf“, kennen gelernt hatte. In jener Nacht aber, die uns in Gefangenschaft und Todesgefahr eng zusammengebracht hatte, erkannte ich so viel gute und edle Eigenschaften in ihm, daß ich ihn von Herzen liebgewinnen mußte. Und nun lag er da und rang mit dem tödlichen Fieber, und ich konnte nichts tun, um seine Leiden zu lindern.

Aber seine Jugendkraft half ihm, sie allein trug endlich den Sieg über die tückische Krankheit davon. Groß war meine und Lubembas Freude, als er uns eines Morgens wieder erkannte und bei Namen nannte. Langsam aber sicher schritt die Genesung von nun an vorwärts.

Vierzehn Tage später kehrte ich von einer Streife durch den Wald zurück, wo ich Früchte gesammelt hatte. Ich mochte noch tausend Schritte von der Hütte entfernt sein, da gewahrte ich vor mir einen Neger, der vorsichtig von Baum zu Baum schlich, sich dabei aber direkt auf die Hütte zubewegte. Das erschien mir verdächtig, und ich beobachtete ihn, indem ich ebenfalls hinter den Stämmen Deckung suchte. Er war mit vier breitspitzigen Speeren bewaffnet, kam also sicher nicht in friedlicher Absicht. Ich suchte ihm näher zu kommen, das gelang mir aber erst, als er die Hütte in Sicht gekriegt hatte und sich nun hinter einem Gebüsch niederduckte. Ich schlich mich bis auf zwanzig Schritt an ihn heran und erkannte nun auch den Grund des Zögerns. Unter dem erst seit Langfelds Besserung von uns über dem Hütteneingang angebrachten Vordach saßen der Patient und Lubemba in ruhiger Unterhaltung; der schleichende Neger durfte sich also nicht weiter vorwagen, wenn er nicht auf der freien Strecke zwischen Hütte und Wald gesehen werden wollte.

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/90&oldid=- (Version vom 31.7.2018)