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gewaltigen Fluten dem Ozean zu. Unsre Führerin blieb stehen, als überlege sie, was nun zu tun sei. Eine Strecke flußabwärts gewahrte ich einige dunkle Gegenstände, die ich für Kanus hielt, die auf das Land gezogen waren. Ich machte Langfeld darauf aufmerksam.

„Sind das dort nicht Kanus?“ sagte ich. „Lassen Sie uns schnell eins davon nehmen und flußabwärts paddeln.“

Unsre kleine Diana hatte aus meiner Gebärde sogleich den Sinn meiner Rede verstanden; sie schüttelte heftig den Kopf, rief einige Worte deutlichen, entschiedenen Widerspruchs und deutete dabei auf Langfelds und meine vernachlässigten Wunden.

Beinahe in demselben Augenblick erscholl vom Dorfe her ein lautes verworrenes Geschrei; man hatte unsre Flucht entdeckt. Sogleich faßte das Mädchen von neuem unsre Hände, führte uns schnurstracks in den Fluß hinein, bis das Wasser uns an die Kniee reichte, und dann wendete sie sich nach rechts, stromaufwärts. Das Geschrei der Verfolger spornte uns zu höchster Eile an. Nach einer Viertelstunde begaben wir uns wieder aufs Trockene und liefen weiter, bis wir einen schmalen Creek erreichten. Diana blieb stehen und fragte uns durch Gebärden, ob wir schwimmen könnten. Als wir dies bejahten, deutete sie auf das Wasser, erhob wie warnend den Finger und wiederholte mehrmals das Wort „Ngandu“; darauf watete sie sacht und lautlos in den Creek hinein, wir folgten ihr und erreichten nach wenigen ruhigen Stößen glücklich das andre Ufer. Hätten wir gewußt, was wir später erfuhren, daß das Wort „Ngandu“ in der Sprache der Kongoneger Krokodil bedeutet, und daß das Mädchen uns darauf aufmerksam machen wollte, daß der große Fluß und seine Creeks von diesen Reptilen wimmelte, dann hätten wir unsre Schwimmfahrt, so kurz sie auch war, nicht so ruhigen Gemütes unternommen.

Es war jetzt im Walde so finster, daß wir kaum die schlanke dunkle Gestalt unserer voranschreitenden Führerin in Sicht behalten konnten. Gelegentlich drang das Geschrei der Verfolger herüber, bald ferner, bald näher; zuweilen hörten wir sogar das Rauschen und

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/82&oldid=- (Version vom 31.7.2018)