Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

sich um Langfeld und mich, weil unsre helle Gesichtsfarbe anscheinend etwas Neues für sie war. Die alten Weiber waren sämtlich abschreckend häßlich und schmutzig, unter den jungen Mädchen aber sahen wir recht graziöse Gestalten und auch einige nicht unschöne, ganz angenehme Gesichter.

Eine dieser letzteren, eine richtige kleine schwarze Diana, schien sich besonders zu uns hingezogen zu fühlen; sie trippelte vor uns hin und her, ging mehrmals um den Baum herum, zuerst in respektvoller Entfernung, dann näher und näher. Endlich, nachdem sie unsre Gesichter eine Minute lang mit größter Aufmerksamkeit betrachtet hatte, kam sie kühn heran und berührte mit dem Finger meine Wange, wohl um sich zu überzeugen, daß ich auch richtiges Fleisch und Blut sei. Als sie wieder zurücktrat, glaubte ich einen Ausdruck von Mitleid auf ihren Zügen zu erkennen.

Auf einmal lief sie schnell davon und kam nach kurzer Zeit mit einem Körbchen wieder, das mit Palmensaft gefüllt war; das feine und dichte Geflecht ließ keinen Tropfen durchsickern. Sie brachte das Getränk zuerst an Langfelds und dann an meinen Mund; wir tranken abwechselnd mit Gier und Behagen, denn wir waren halb verschmachtet gewesen. Bald war das Körbchen leer; sie blickte mit fröhlicher Genugtuung hinein, rief uns etwas zu und trippelte abermals leichtfüßig fort. Nach etwa einer Viertelstunde war sie wieder da. Diesmal brachte sie in demselben Körbchen eine breiartige Suppe, die zwar nicht gut schmeckte, uns aber dennoch nach unserm langen Fasten recht willkommen war. Das Päppeln geschah mit einem kleinen spatenförmigen Holzlöffel. Das lebhafte Geschwätz und laute Gelächter eines Häufleins junger Mädchen, die der Prozedur zuschauten, und die ein wenig verlegenen Entgegnungen unsrer Samariterin zeigten, daß auch hier im afrikanischen Walde Späße und Schäkereien nicht unbekannt waren.

Alles dies wurde plötzlich durch mißtönende Hornstöße und dumpfen Trommelschlag unterbrochen. Die alten Weiber, die Mädchen und auch

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/76&oldid=- (Version vom 31.7.2018)