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Der Ärmste befand sich in einem bösen Zustande. Er trug nicht weniger als vier zum Teil schwere Wunden am Leibe, sein Gesicht und seine Hände wiesen schmerzhafte Verbrennungen auf, und seine Uniform bestand nur noch aus Fetzen. Den größten Kummer aber verursachte ihm das Fehlschlagen der Expedition und die furchtbaren Verluste an Menschenleben, die seine Bootsmannschaften erlitten haben mußten, nicht allein durch die Kämpfe, sondern hauptsächlich durch das Auffliegen der Brigg.

Das Fahrzeug, das uns davonführte, war ein Kriegskanu von sechzig Fuß Länge und fünf Fuß Breite, bemannt von vierzig Kriegern, die in zwei Reihen auf Backbord und Steuerbord längs der Reling saßen und aus Leibeskräften drauflos paddelten. Auch hatte man ein großes Mattensegel gesetzt, in das die Brise so kräftig hineinblies, daß das Kanu mit fliegender Fahrt durch das Wasser rauschte, das, wie wir mutmaßten, nur der Kongo sein konnte, denn wir hatten nichts als den blauen Himmel über uns in Sicht.

Bei Sonnenuntergang nahmen die Schwarzen das Segel weg, änderten den Kurs und einige Minuten später knirschte das Kanu auf dem Sande des Gestades. Die Fesseln der Füße hatte man uns schon vorher abgenommen und so konnten wir mit den übrigen an Land gehen. Kaum standen wir jedoch auf festem Boden, als wir von neuem aufgehoben und fortgeschleppt wurden. Diesmal aber nicht weit. Denn bald ließ man uns wieder nieder und band uns an den umfangreichen Stamm eines mächtigen Baumes.

Wir befanden uns in einem großen Dorfe der Eingeborenen, dessen Hütten im Halbkreise ein größeres, mit rohen, seltsamen Verzierungen geschmücktes Gebäude umstanden, vor dem sich ein greuliches Götzenbild erhob. Es mußte also wohl der Tempel sein.

Weiter um uns schauend gewahrten wir, daß unsre schwarzen Mitgefangenen auch an Bäume gebunden worden waren. Die Krieger verließen uns nun und an ihrer Stelle versammelte sich eine neugierige Schar, vornehmlich Weiber und Kinder, um uns. Die meisten drängten

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/75&oldid=- (Version vom 31.7.2018)