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den Leuten war tiefstes Schweigen auferlegt. So glitten wir über den Strom dahin, fast so geräuschlos, wie die wallenden Nebelstreifen.

Um nicht auseinander zu geraten, fuhren die Boote eins hinter dem andern, die Fangleine des ersten Kutters war an der Barkasse, die des zweiten Kutters am Heck des ersten befestigt und zwar so, daß die Buchten der Leinen soeben das Wasser berührten, da selbstverständlich keins der Boote das andere schleppen wollte.

Tiefe Finsternis, tiefes Schweigen. Das Schweigen wäre bedrückend gewesen, wenn es nicht von dem Gezirp der zahllosen Millionen von Insekten auf beiden Ufern unterbrochen worden wäre. Als man mir sagte, daß dieses seltsame Getön wirklich nichts als die Wirkung von Insektenstimmen sei, da fiel es wir schwer, dies zu glauben. Es hatte Ähnlichkeit mit dem Geschnurr von Maschinen, nur daß es in bestimmtem Rhythmus anschwoll und schwächer wurde und gelegentlich auch wie auf Verabredung, während einer kurzen Zeitspanne ganz verstummte. Dann wurde die Stille unheimlich; man drängte sich unwillkürlich enger an seinen Nachbar heran und sah sich furchtsam lauschend um. plötzlich kam dann aus der Ferne ein schwaches „Schirrschirr“ wie ein Signal, und sogleich setzte der volle Chor wieder ein, und abermals vibrierte die ganze Luft von dem Getön.

Aber die Nacht hatte noch andre Stimmen, als diese – das gnarrende Brüllen der großen Katzen, wie Jaguar, Panther und Leopard, das Gebell des Schakals, das Geheul der Hyäne, das Grunzen des Nilpferdes und die geisterhaften Rufe der Nachtvögel. Oft wurde auch ein geheimnisvolles Schnaufen und Blasen unmittelbar bei den Booten hörbar, verbunden mit schwachem Geplätscher, das einen dann ganz besonders unangenehm berührte.

Einmal stiegen mir buchstäblich die Haare zu Berge; das war, als die Barkasse urplötzlich gegen etwas anrannte, das sich unter ihrem Buge aus dem Wasser erhoben hatte. Dem Stoß folgte ein Geräusch, das einem langen, stöhnenden Seufzer glich, dann rauschte das Wasser gewaltig auf und das riesige Geschöpf sank wieder in die Tiefe.

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/61&oldid=- (Version vom 31.7.2018)