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Grummetstropp rund um den Stamm, legte mir die Bucht über die Schultern und zeigte mir, wie man mit Hilfe eines solchen Stropps[* 1] Bäume ersteigt.

Seinen Anweisungen folgend, brachte ich den Stropp unter meine Arme und schob den andern Teil so hoch als möglich den Stamm hinauf. Dann lehnte ich mich mit meinem ganzen Gewicht in den Stropp zurück, stemmte die Kniee gegen den Stamm und arbeitete mich so etwa zwei Fuß aufwärts. Darauf stemmte ich die Füße fest an den Baum, schob den Stropp mit schnellem Ruck weiter hinauf und arbeitete mich abermals mit den Knieen empor. Das ging ganz gut, und wenn auch meine Kniescheiben, und noch mehr meine Hosen, durch mehrmaliges Abrutschen hart mitgenommen wurden, so hatte ich den Trick doch sehr bald weg und erreichte in kurzer Zeit die unteren Äste und dann auch den obersten Wipfel.

Hier bot sich mir ein weiter Rundblick über den ganzen Wald, über Teile des Stromes, über entfernte grüne Ebenen bis zur Küste und über die See dar. In der klaren Atmosphäre erkannte ich auch die Bramstengen des „Wolf“ und der „Pensacola“, sogar den Wimpel der Korvette sah ich in der trägen Brise gelegentlich auswehen. Links davon lag die Kongomündung; deutlich konnte ich die rippelnde Linie erkennen, wo Flußwasser und Salzwasser sich begegneten.

Zu meinen Füßen zog sich der Wasserlauf hin, in dem unser Boot lag. Er teilte sich in einiger Entfernung in zwei Arme und erweiterte sich hier zu einem Becken, das ungefähr eine Seemeile breit war. Und in diesem Hafen, verborgen vor den Blicken aller, die etwa den Kongo hinauf- oder hinabfuhren, lagen drei Fahrzeuge: eine Brigg, eine Brigantine[* 2] und ein Schoner; allen dreien war ganz deutlich anzusehen,

  1. Ring oder Schlinge aus Tau oder Kette, der zu den verschiedensten Zwecken gebraucht wird. Man unterscheidet Draht-, Garn-, Grummet-, Ketten-, Kardeel-, Taustroppen usw.
  2. Auch Schonerbrigg genannt. Bei ihr sind die beiden Masten und Marsstengen aus je einem Stück, ohne Marsen, mit Bramstengen darüber. Diese Fahrzeuge sind heutzustage besonders im Mittelmeer anzutreffen.
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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/49&oldid=- (Version vom 31.7.2018)