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Der Fremde war eine Brigg von etwa dreihundert Tonnen, unter vollen Segeln, mit ganz schwarz gemaltem Rumpf und blitzblank gescheuerter Bekupferung. Der Kasten gefiel mir gar nicht, er hatte ein verdächtiges Aussehen, und die Segelpressung bei dieser steifen Brise bedeutete nichts Gutes. Aber meine „Ophelia“ war auch ein fixer Segler, und so nahm ich mir vor, alles aufzubieten, um uns die Brigg so weit als möglich vom Leibe zu halten, und als einige Minuten später die andre Wache an Deck kam, da ließ ich die kurz vorher weggenommenen Segel – Bramsegel, Oberbramsegel, Außenklüver und die Stagsegel – sämtlich wieder setzen, und die „Ophelia“ fing an zu jagen, daß der Schaum am Buge wie Dampf nach Lee sprühte.

Dann peilte ich den Fremden nach dem Kompaß, und eine Stunde oder so verloren wir auch nichts, aber bei Sonnenuntergang mußte ich mir doch gestehen, daß die Brigg nicht nur besser luvte als wir, sondern uns auch auflief. Noch aber war sie eine weite Strecke von uns entfernt, und wenn die Nacht finster geworden wäre, dann hätte ich versucht, ihr auf irgend eine Weise aus Sicht zu kommen; aber die Sonne war kaum unter der Kimmung, da stieg auch schon der volle Mond herauf und natürlich konnte die Brigg uns, das viel größere Schiff, deutlicher sehen, als wir sie.

Um sieben Uhr ging sie über Stag, und nun wußte ich, was sie beabsichtigte, und als sie kurz vor acht Glasen direkt in unserm Kielwasser wieder wendete, da schwand mir jeder Zweifel. Sie befand sich um diese Zeit etwa acht Seemeilen achter uns; um Mitternacht war sie uns zu Luwart aufgelaufen; ohne jeden Anruf feuerte sie ihre Breitseite von sieben Achtzehnpfündern in uns hinein und befahl uns, sofort beizudrehen.

Unglücklicherweise hatten mich meine Reeder nur mit einem halben Dutzend alter Musketen in See geschickt, und obendrein ohne jegliche Munition dazu; was konnte ich da tun? Nichts als gehorchen und die Rahen backbrassen, was denn auch geschah. Die Brigg tat dasselbe, dann fierte sie ein Boot zu Wasser und schickte uns eine Kruh[* 1] von

  1. Mannschaft, von crew, engl.
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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/29&oldid=- (Version vom 31.7.2018)