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waren so hartnäckig, daß die Bootsmannschaft sich tatsächlich hindurchschlagen mußte, um zum Floß gelangen zu können, wobei sowohl Remen als auch Fußleisten als Waffen verwendet wurden. Trotzdem gelang die Rettung der armen Menschen ohne Unfall, und eine Viertelstunde nach dem Aussetzen des Bootes hing es wieder in seinen Davits, und die geborgenen Schiffbrüchigen, von welchen die meisten mehr oder weniger schwere Brandwunden an sich trugen, befanden sich unter Deck in der Behandlung des Arztes und seines Assistenten.

Nachdem ihre Verletzungen verbunden waren, erhielten die Leute Speise und Trank; sie waren halb verschmachtet, denn sie hatten zweiundvierzig Stunden hungern und dursten müssen. Darauf ließ der Kommandant den unter den Geretteten befindlichen Kapitän vor sich kommen, um sich von ihm erzählen zu lassen, wodurch das Unglück entstanden sei.

Später hörte auch ich aus dem Munde des bedauernswerten Mannes die Geschichte, die ich hier wiedergebe.

„Mein Name ist Walker,“ so begann er, „und mein Fahrzeug, das in Liverpool daheim war, hieß ‚Ophelia‘. Es war eine Bark von dreihundertundfünfzig Tonnen, aus Eichenholz erbaut, mit Kupferbeschlag versehen und erst fünf Jahre alt.

Heut sind es fünfundvierzig Tage, seit wir von Liverpool nach St. Paul de Loanda in See gingen, mit einer Ladung Stahl- und Eisenwaren von Birmingham und Manchester an Bord.

Alles ging gut, bis vor zwei Tagen. Kurz vor acht Glasen in der Nachmittagswache hatte ich einen Mann nach oben geschickt, um das Großbramsegel festzumachen. Auf einmal meldete er ein Schiff, dwars ab in Lee, das trotz der steifen Brise alle Segel stehen hatte. Ich bin schon ein paarmal in St. Paul de Loanda gewesen und weiß, wie es an der Westküste zugeht; auf der ersten Reise hatte uns ein schuftiger Spanier ausgeplündert und auf der zweiten waren wir mit knapper Not einem andern Raubschiff aus den Fängen gekommen. Ich ging also mit dem Glas nach oben, um zu sehen, was das für einer wäre.

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/28&oldid=- (Version vom 31.7.2018)