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Das Wetter blieb die ganze Nacht fein. um zwölf uhr löste ich Collins ab. Mein erster Blick galt der Brigg; ihre oberen Segel waren in dem hellen Mondschein deutlich sichtbar. Die Entfernung zwischen beiden Fahrzeugen betrug ungefähr zwölf Seemeilen. Sie blieb so bis zum Morgen. Zur Mittagszeit des nächsten Tages hatte sie sich bis auf sieben Seemeilen verringert. Ein Fieber ungeduldiger Erwartung hatte jede Seele an Bord erfaßt, alle brannten darauf, der Brigg auf den Leib zu rücken, denn durch unsere Gläser hatten wir längst erkannt, daß sie keine andere als die „Black Queen“ war.

Dieses gefährliche Raubschiff war uns bisher schon so oft entwischt, daß wir fast eine Art Aberglauben ihm gegenüber fühlten; mochten wir auch noch so dicht an sie herankommen, mochten wir sie auch schon sicher in unsrer Gewalt wähnen – es war kein Verlaß auf den vertrackten Kasten, und nicht eher, bis wir eine Prisenmannschaft auf ihrem Deck wußten und ihre eigene Mannschaft in Eisen gelegt hatten, nicht eher durften wir sagen, daß sie tatsächlich unser sei.

Gegen zwei Uhr nachmittags sprang der Wind um; wir mußten auf Backbord die Leesegel fortnehmen. Eine schwere Wolkenbank türmte sich in Südwest auf, sie kroch langsam gegen den Wind heran, sie verschlang die Sonne, und bald verbarg eine dunkle wallende Nebelschicht das ganze Firmament. Es war nicht meine Wache, aber wie alle andern litt es auch mich nicht unter Deck. Das Wetter gefiel mir nicht. Ich fühlte, als stünde uns eine jener gewaltigen Wetterkatastrophen bevor, die in den tropischen Breiten so häufig sind, und dabei führte die Korvette noch immer alle Leesegel auf Steuerbord, neben der gesamten übrigen Leinwand, die nur irgend stehen konnte.

„Wenn meine Wetterkenntnis mich nicht ganz und gar täuscht,“ sagte ich zu mir selbst, „dann werden demnächst alle Mann alle Hände voll zu tun haben; und wir können von Glück sagen, wenn nicht einige von den Rundhölzern und den Lappen da oben zum Teufel gehen.“

Ich vergaß mich sogar so weit, dem wachhabenden Offizier, Leutnant

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/157&oldid=- (Version vom 31.7.2018)