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erkennen zu können. Erwies er sich als ein Engländer, dann hatten Langfeld und ich die Verpflichtung, uns an Bord zu verfügen.

In höchster Eile kletterte ich den Baum hinab, flog mehr als ich lief zur Plantage und kehrte mit dem Glase auf mein „Krähennest“ zurück.

Während der kurzen Zeit meiner Abwesenheit hatte das Schiff seinen Standpunkt erheblich verändert, ein Zeichen dafür, daß es trotz seiner geringen Leinwand ein flotter Segler war. Als ich es jedoch in den Fokus des Glases gebracht hatte, fand ich zu meiner großen Enttäuschung, daß ich es jetzt kaum deutlicher sah, als vorher mit bloßem Auge. Die Ursache war die Beschaffenheit der Luft, die durch die große Hitze außerordentlich verdünnt und in Schwingungen versetzt war, so daß ich die Segel nur als einen zitternden weißen Fleck und darunter den Rumpf als einen zitternden dunklen Fleck erblickte. Dunkle Linien in spiralförmiger Bewegung oberhalb der Segel stellten die kahlen Bram-und Reuelstengen dar. Das war ärgerlich. Die Sonne brauchte noch eine gute Stunde bis zum Untergang. Zu der Zeit, wo sie den Horizont erreichte, mußte das Schiff um sieben oder acht Seemeilen dem Lande näher sein; die Luft wurde inzwischen mit jeder Minute kühler und dichter, und ich konnte hoffen, vor dem Eintritt der Dunkelheit imstande zu sein, die Nationalität des Fahrzeugs und seinen Charakter zu erkennen.

Nach und nach hörten die Schwingungen der Luft auf, das Bild des Schiffes wurde ruhig und deutlich. Das Fahrzeug mußte ich kennen!

Endlich, gerade als der große Feuerball der Sonne mit seinem unteren Rande die purpurne Horizontlinie berührte, ging das Schiff über Stag. Dabei kam mir seine Flagge zu Gesicht, beschienen von den letzten Strahlen der scheidenden Sonne. Im nächsten Moment glitt es anmutig über die goldene Straße, die das sinkende Tagesgestirn auf den Ozean warf; jede Spiere, jedes Tau der Takelung zeichnete sich schwarz und scharf auf dem flammenden Hintergrund ab, die klar umgrenzten

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/105&oldid=- (Version vom 31.7.2018)