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     Der Pastor lachte. „Und Sie wollen sterben. Wer so lange sprechen kann, der lebt noch zehn Jahr.“

     „Nichts, nichts. Ich halte Sie fest. Kommt es so, oder kommt es nicht so?“

     „Nun, es kommt sicherlich nicht so.“

     „Sind Sie dessen sicher?“

     „Ganz sicher.“

     „Dann sagen Sie mir, wie es kommt, aber ehrlich.“

     „Nun, das kann ich leicht, und sie haben mir selber den Weg gewiesen, als Sie gleich anfangs von ‚König und Kronprinz‘ sprachen. Dieser Gegensatz existiert natürlich überall und in allen Lebensverhältnissen. Es kommen eben immer Tage, wo die Leute nach irgend einem ‚Kronprinzen‘ aussehn. Aber so gewiß das richtig ist, noch richtiger ist das andre: der Kronprinz, nach dem ausgeschaut wurde, hält nie das, was man von ihm erwartete. Manchmal kippt er gleich um und erklärt in plötzlich erwachter Pietät, im Sinne des Hochseligen weiterregieren zu wollen; in der Regel aber macht er einen leidlich ehrlichen Versuch, als Neugestalter aufzutreten und holt ein Volksbeglückungsprogramm auch wirklich aus der Tasche. Nur nicht auf lange. ‚Leicht bei einander wohnen die Gedanken, doch eng im Raume stoßen sich die Sachen‘. Und nach einem halben Jahre lenkt der Neuerer wieder in alte Bahnen und Geleise ein.“

     „Und so wird es Woldemar auch machen?“

     „So wird es Woldemar auch machen. Wenigstens wird ihn die Lust sehr bald anwandeln, so halb und halb ins Alte wieder einzulenken.“

     „Und diese Lust werden Sie natürlich bekämpfen. Sie haben ihm in den Kopf gesetzt, daß etwas durchaus Neues kommen müsse. Sogar ein neues Christentum.“

     „Ich weiß nicht, ob ich so gesprochen habe; aber

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 490. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_490.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)