Seite:Der Stechlin (Fontane) 408.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Madonna treten wolle. Worte, bei denen er noch dazu wie verklärt aussah. Und das find’ ich einfach unerhört. Warum, werden Sie mich vielleicht fragen. Nun denn, weil es erstens eine Beleidigung ist, sich auf eine Madonna so extrem zu freuen, wenn man eine Braut oder gar eine junge Frau zur Seite hat, und zweitens, weil dieser geplante Galeriebesuch einen Mangel an Disposition und Ökonomie bedeutet, der mich für Woldemars ganze Zukunft besorgt machen kann. Diese Zukunft liegt doch am Ende nach der agrarischen Seite hin und richtige ‚Dispositionen‘ bedeuten in der Landwirtschaft so gut wie alles.“

     Der alte Graf wollte widersprechen, aber Melusine ließ es nicht dazu kommen und fuhr ihrerseits fort: „Jedenfalls, – das ist nicht wegzudisputieren, – fährt unser Woldemar jetzt in das Land der Madonnen hinein und will da mutmaßlich mit leidlich frischen Kräften antreten; wenn er sich aber schon in Deutschland etappenweise verthut, so wird er, wenn er in Rom ist, wohl sein Programm ändern und im Café Cavour eine Berliner Zeitung lesen müssen, statt nebenan im Palazzo Borghese Kunst zu schwelgen. Ich sage mit Vorbedacht: eine Berliner Zeitung, denn wir werden jetzt Weltstadt und wachsen mit unserer Presse schon über Charlottenburg hinaus… Übrigens läßt, wie das junge Paar, so auch die Baronin bestens grüßen. Eine reizende Frau, Herr von Stechlin, die grad Ihnen ganz besonders gefallen würde. Glaubt eigentlich gar nichts und geriert sich dabei streng katholisch. Das klingt widersinnig und ist doch richtig und reizend zugleich. All die Süddeutschen sind überhaupt viel netter als wir, und die nettesten, weil die natürlichsten, sind die Bayern.“

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 408. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_408.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)