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nicht an Ort und Zeit gebunden) haben wir bei tiefergehender Betrachtung den Gegensatz von Leidenschaft und Berechnung von Schönheit und Klugheit. Und das ist der Grund, warum das Interesse daran nicht ausstirbt. Es sind große Typen, diese feindlichen Königinnen.“

     Beide Schwestern schwiegen. Dann sagte Melusine, der daran lag, wieder ins Heitere hinüber zu lenken: „Und nun, Armgard, sage, für welche von den beiden Königinnen bist du?“

     „Nicht für die eine und nicht für die andre. Nicht einmal für beide. Gewiß sind es Typen. Aber es giebt andre, die mir mehr bedeuten, und, um es kurz zu sagen, Elisabeth von Thüringen ist mir lieber als Elisabeth von England. Andern leben und der Armut das Brot geben – darin allein ruht das Glück. Ich möchte, daß ich mir das erringen könnte. Aber man erringt sich nichts. Alles ist Gnade.“

     „Du bist ein Kind,“ sagte Melusine, während sie sich mühte, ihrer Bewegung Herr zu werden. „Du wirst noch Unter den Linden für Geld gezeigt werden. Auf der einen Seite ‚die Mädchen von Dahomey‘, auf der andern du.“

     Stechlin ging. Armgard gab ihm das Geleit bis auf den Korridor. Es war eine Verlegenheit zwischen beiden, und Woldemar fühlte, daß er etwas sagen müsse. „Welche liebenswürdige Schwester Sie haben.“

     Armgard errötete. „Sie werden mich eifersüchtig machen.“

     „Wirklich, Comtesse?“

     „Vielleicht… Gute Nacht.“

* * *

     Eine halbe Stunde später saß Melusine neben dem Bett der Schwester und beide plauderten noch. Aber

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_320.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)