Seite:Der Stechlin (Fontane) 298.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

dazwischen, sah es beinah’ aus wie ein Bild von Skarbina. Kennen Sie Skarbina?“

     „Gewiß,“ sagte Melusine, „den kenn’ ich sehr gut. Aber allerdings erst von der letzten Ausstellung her. Und was, außer den Gaslaternen im Nebel, mir so eigentlich von ihm vorschwebt, das ist ein kleines Bild: langer Hotelkorridor, Thür an Thür, und vor einer der vielen Thüren ein paar Damenstiefelchen. Reizend. Aber die Hauptsache war doch die Beleuchtung. Von irgend woher fiel ein Licht ein und vergoldete das Ganze, den Flur und die Stiefelchen.“

     „Richtig,“ sagte die Baronin. „Das war von ihm. Und gerade das hat Ihnen so sehr gefallen?“

     „Ja. Was auch natürlich ist. In meinen italienischen Tagen – wenn ich von ‚italienischen Tagen‘ spreche, so meine ich übrigens nie meine Verheiratungstage; während meiner Verheiratungstage hab’ ich Gott sei Dank so gut wie garnichts gesehn, kaum meinen Mann, aber freilich immer noch zu viel – also während meiner italienischen Tage hab’ ich vor so vielen Himmelfahrten gestanden, daß ich jetzt für Stiefeletten im Sonnenschein bin.“

     „Ganz mein Fall, liebe Melusine. Freilich bin ich jetzt nebenher auch noch fürs Japanische: Wasser und drei Binsen und ein Storch daneben. In meinen Jahren darf ich ja von Storch sprechen. Früher hätt’ ich vielleicht Kranich gesagt.“

     „Nein, Baronin, das glaub’ ich Ihnen nicht. Sie waren immer für das, was Sie jetzt Realismus nennen, was meistens mehr Ton und Farbe hat, und dazu gehört auch der Storch. Deshalb lieb’ ich Sie ja gerade so sehr. Ach, daß doch das Natürliche wieder obenauf käme.“

     „Kommt, liebe Melusine.“

* * *

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_298.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)