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ich komme vor allem auch, um mich in zwölfter Stunde noch nach Möglichkeit zu informieren. In dem Augenblick, wo der gänzlich ignorante Kandidatus in seinen Frack fährt, guckt er – so was soll vorkommen – noch einmal ins Corpus juris und liest, sagen wir zehn Zeilen, und gerad’ über diese wird er nachher gefragt und sieht sich gerettet. Dergleichen könnte mir doch auch vorbehalten sein. Sie waren lange drüben und die Damen ebenso. Auf was muß ich achten, was vermeiden, was thun? Vor allem, was muß ich sehn und was nicht sehn? Das letztere vielleicht das Wichtigste von allem.“

     „Gewiß, lieber Stechlin. Aber ehe wir anfangen, rücken Sie hier ein und gönnen Sie sich eine Tasse Thee. Freilich, daß Sie den Thee würdigen werden, ist so gut wie ausgeschlossen; dazu sind Sie viel zu aufgeregt. Sie sind ja wie ein Wasserfall; ich erkenne Sie kaum wieder.“

     Woldemar wollte sich entschuldigen.

     „Nur keine Entschuldigungen. Und am wenigsten über das. Alles ist heutzutage so nüchtern, daß ich immer froh bin, mal einer Aufregung zu begegnen; Aufregung kleidet besser als Indifferenz und jedenfalls ist sie interessanter. Was meinst du dazu, Melusine?“

     „Papa schraubt mich. Ich werde mich aber hüten, zu antworten.“

     „Und so denn wieder zur Sache. Ja, lieber Stechlin, was thun, was sehn? Oder wie Sie ganz richtig bemerken, was nicht sehn? Überall etwas sehr schwieriges. In Italien vertrödelt man die Zeit mit Bildern, in England mit Hinrichtungsblöcken. Sie haben drüben ganze Kollektionen davon. Also möglichst wenig Historisches. Und dann natürlich keine Kirchen, immer mit Ausnahme von Westminster. Ich glaube, was man so mit billiger Wendung „Land und Leute“ nennt, das ist

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Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin: F. Fontane, 1899, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_281.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)