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     „O, viel; beinahe um zehn Jahre. Sie wird sechsundsiebzig.“

     „Ein respektables Alter. Und ich muß sagen, wohl konserviert.“

     „Ja, man kann es beinahe sagen. Das ist eben der Vorzug solcher, die man ‚schlank‘ nennt. Beiläufig ein Euphemismus. Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren und die Zeit natürlich auch; sie kann nichts nehmen, wo sie nichts mehr findet. Aber ich denke – Rex thut mir übrigens leid, weil er wieder in seine Stiefel muß – wir begeben uns jetzt nach unten und machen uns möglichst liebenswürdig bei der Tante. Sie wird uns wohl schon erwarten, um uns ihren Liebling vorzustellen.“

     „Wer ist das?“

     „Nun, das wechselt. Aber da es bloß vier sein können, so kommt jeder bald wieder an die Reihe. Während ich das letzte Mal hier war, war es ein Fräulein von Schmargendorf. Und es ist leicht möglich, daß sie jetzt gerade wieder dran ist.“

     „Eine nette Dame?“

     „O ja. Ein Pummel.“

* * *

     Und wie vorgeschlagen, nach kurzem „Sichadjustieren“ in der improvisierten Fremdenstube, kehrten alle drei Herren in Tante Adelheids Salon zurück, der niedrig und verblakt und etwas altmodisch war. Die Möbel, lauter Erbschaftsstücke, wirkten in dem niedrigen Raume beinahe grotesk, und die schwere Tischdecke, mit einer mächtigen, ziemlich modernen Astrallampe darauf, paßte schlecht zu dem Zeisigbauer am Fenster und noch schlechter zu dem über einem kleinen Klavier hängenden Schlachtenbilde: „König Wilhelm auf der Höhe von Lipa“. Trotzdem hatte dies stillose Durcheinander etwas Anheimelndes.

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin 1899, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Stechlin_(Fontane)_100.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)