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Walther Kabel: Der Schwindel der Schlangenbeschwörer (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 5)

Der Schwindel der Schlangenbeschwörer. – Giftfeste indische Schlangenbeschwörer sind nach Dr. Forrers Bericht meist nur geschickte Gaukler und Schwindler. Forrer gelang es in langen Jahren seines Lebens im innersten Indien, viele dieser Trüger und Täuscher zu entlarven. Um festzustellen, ob die Schlangenbändiger durch Musik auf ihren meist dudelsackähnlichen Flöten auch freilebende Schlangen heranzulocken vermöchten, versprach Forrer zwei Schlangenbeschwörern guten Lohn, wenn sie eine schwarze Kobra, die in seinem Garten unter einem Ameisenhaufen hauste, unschädlich machen würden. Die Gaukler setzten sich vor dem Schlupfwinkel der Schlange auf die Erde und bliesen auf ihren Flöten. Nach einiger Zeit steckte die Kobra ihren Kopf aus dem Loch. Einer der Inder griff sie geschickt mit Daumen und Zeigefinger am Halse, so daß sie nicht beißen konnte. Dann versuchte er sie zum Tanzen zu bewegen, indem er ein Stückchen einer weißen Wurzel über ihren Kopf hielt. Die Schlange versuchte zu entkommen, schien aber halb betäubt, und wurde immer wieder zurückgebracht. Endlich fing sie an, sich langsam um sich selbst zu drehen. Ein Bekannter Forrers, der als Beobachter diesen Vorgängen folgte, frug den Inder, was er getan hätte, wenn der Schlange es gelungen wäre, ihn zu beißen, und erhielt die Antwort, daß er ein sicheres Heilmittel immer bei sich führe und darum nichts zu fürchten habe. Mehr scherzhaft als im Ernst gemeint bot man ihm fünf Rupien, wenn er sich von der Kobra beißen ließe. Sofort steckte der Inder dem Reptil einen Finger in den Rachen. Als er ihn zurückzog, waren zwei leicht blutende Punkte auf der Haut zu sehen. Er gab die Schlange seinem Gefährten, der sie in einem Korb barg, brachte ein Stückchen verbrannten Knochens, den er als „Schlangenstein“ bezeichnete, aus der Tasche und hielt ihn an die Wunde. Nach kurzer Zeit nahm er den Stein weg und erklärte, daß alles Gift aus der Wunde gezogen sei. Dann warf er den „Schlangenstein“

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Walther Kabel: Der Schwindel der Schlangenbeschwörer (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 5). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1916, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Schwindel_der_Schlangenbeschw%C3%B6rer.pdf/2&oldid=- (Version vom 31.7.2018)