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Hans Thoma


Über Hans Thomas Kunst und ihre Volkstümlichkeit in Deutschland kann hier nichts Neues gesagt werden. Es ist eine allbekannte Tatsache, daß die Eigenschaften der malerischen und der graphischen Werke Thomas gerade dem entsprechen, was wir als deutsche Eigenschaften und Eigentümlichkeiten zu erkennen und zu betonen geneigt sind: ihre schlichte, einfache Sprache, ihre Eigenart und Reinheit in Auffassung und Ausdruck, ihr Humor und ihre Würde, ihre Liebe zum Einzelnen und ihre umfassende, weltweite Bedeutsamkeit, ihre frische, harmlose Natürlichkeit und ihre zurückhaltende Weltferne, ihre zupackende, unmittelbare Art und ihre wunderliche Versponnenheit und Verträumtheit bis ins Mystische, ihr Wirklichkeitssinn und ihr Dichterisches.

Thoma ist als Künstler eine elementarische Erscheinung. Er ist urtümlich. Plötzlich hebt sich, aus uns dunkeln und unerforschlichen Anfängen und Untergründen, sein Wesen in seinem Lebenswerk zu lichten, fast unbegreiflichen Höhen. Ungehemmt und unabgelenkt von den lockenden Aussichten gefälligen Tagesdienstes, entwickelt er in zäher und treuer Arbeit sein nur ihm Eigentümliches aus einfachen Anfängen zu gebietendem und strahlendem Glanz. Diese überwältigende Treue und das empfindsame Verantwortlichkeitsgefühl vor sich selbst und vor der Würde der Kunst gibt seinen Schöpfungen den Stempel der Einheit und Weihe, prägt ihrer schlichten Unmittelbarkeit den Charakter der Größe auf und läßt ihre Natürlichkeit im Glanz allumfassender Kraft und Vollendung erstrahlen. Das bildnerische Werk Thomas ist geradezu von einer religiösen Inbrunst der Liebe und des Glaubens an die Reinheit und Heiligkeit der Erscheinungen der Welt getragen. Die Ehrfurcht vor dem Walten des großen Pan, vor dem Allvater der Natur, vor dem Göttlichen des Webens und Geschehens in der Menschheit, vor dem Geist alles Seienden beseelt seine Schöpfungen

Empfohlene Zitierweise:
Joseph August Beringer (Hrsg.): Der Malerpoet. Delphin-Verlag München, München 1917, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Malerpoet.pdf/6&oldid=- (Version vom 31.7.2018)