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dahinter kommen zu wollen, was eigentlich in der Puppe steckt, und wenn dann die Sägespäne, diese Moleküle, herausrieseln auf den Boden, dann ist es zu spät, es steht weinend vor dem leeren Balg, dem es seine Seele nicht mehr leihen kann. – Es empfindet es als Sünde, daß es den Einflüsterungen einer dunkeln Macht Gehör gegeben hat und Erkenntnis haben wollte. –

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Die meiste Sehnsucht nach den Paradiesgärten des Lebens werden freilich immer die Künstler haben, und es soll den Cherubimen, die dort Polizei halten, am allerschwersten fallen, dieses Volk hinauszutreiben. – Mit Furcht, fast mit verschlossenen Augen essen sie die Frucht vom Baum der Erkenntnis, sie verstecken sich alsdann hinter allerlei Buschwerk vor den Flammenschwertern, die das Paradies zu säubern haben, sie sind mäuschenstill, damit man sie nicht merken soll; ja, ich glaube, manche haben die Absicht, hinten herum zu schleichen, wo das Jenseits von Gut und Böse ist – wo auch der Baum des Lebens steht, von dessen Früchten sie essen wollen ...

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Die Kunst ist eine der menschlichen Tätigkeiten, die innigst mit dem Leben zusammenhängen. Darum ist sie wohl auch widerspruchsvoll; denn was ist widerspruchsvoller, als das Leben selber. Das fügt sich keiner Schablone, und alle unsere Erzieherkünste können verzweifeln, wenn nicht das Leben selber, die Gesundheit des Lebens alles Verfahrene oft gegen allen Verstand der Verständigen wieder ins rechte Geleise bringen würde.

Ich bin optimistisch genug, um zu denken, daß es mit der Kunst auch so sein wird: denn im Anfang war die Kunst, die Meinungen über dieselbe sind erst später entstanden.

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So sind unsere Betrachtungen über Kunst, kein du sollst, du mußt, das darfst du, und das darfst du nicht, sondern ein: Du bist! in dir manifestiert sich der Geist des Lebens.


Empfohlene Zitierweise:
Joseph August Beringer (Hrsg.): Der Malerpoet. Delphin-Verlag München, München 1917, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Malerpoet.pdf/44&oldid=- (Version vom 31.7.2018)