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konkret bezeichneter Schutzmassregeln verurteilt werden kann[1], sondern nur dazu, „exzessive Immissionen im Sinne von § 906 künftig zu unterlassen”, so kann der Exequend insbesondere die Ausrede gebrauchen, dass sich sein ganzer Betrieb inzwischen vergrössert oder verändert habe, so dass es sich nun nicht mehr um „exzessive”, sondern um „erlaubte” Immissionen handle, worauf die ganze Klage und Untersuchung wieder von neuem losgehen müsste. – In der Regel gelangen daher diese Immissionsklagen nie zu einem Abschluss. Mir ist sogar ein epineuser Streitfall bekannt geworden, in dem ein auf dem Lande lebender Privatmann die dingliche Störungsklage gegen eine benachbarte chemische Fabrik führte, deren Einrede nach 906 abgewiesen und für die eine Betriebsabänderung verfügt wurde, worauf dann die dem Kläger übelgesinnte Verwaltungsbehörde dem Fabrikanten zu ungunsten des Klägers eine Konzession zu dem von der Zivilbehörde verfügten „abgeänderten Verfahren” versagte, wonach – alles beim Alten blieb[2].

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Gegenüber diesen Erschwerungen der Klage nach § 26 G.O. verschlägt es nur wenig, dass die Gewerbeordnung im Gegensatz zur Zivilklage nach dem bürgerl. Gesetzbuch nicht nach dem „Verschuldungsprinzip”, sondern nach dem „Veranlassungsprinzipe” verfährt. Das heisst: bei einer Lärmklage auf Grund der Gewerbeordnung wird nicht nachgeprüft, ob der schädigende Eingriff in mein Rechtsbereich irgend ein positives „Verschulden” des Lärmmachers in sich schliesse, sondern nur, ob eine Schädigung und damit eine Verpflichtung zum Schadenersatz de facto vorliegt… Es liegt hier in der Tat ein sehr gewichtiger ethischer Unterschied zwischen Gewerbegesetz und Zivilgesetzgebung vor. Nur ganz ausnahmsweise knüpft das weit modernere bürgerliche Gesetz an „unverschuldete” Schadenszufügung eine Ersatzpflicht. Eben darum aber ist die Lärmklage nach § 906, 907 so vollkommen aussichtslos und unnütz. – Eine Einsicht in die Schädigung, geschweige denn ein Wille zur Schädigung wird ja in all dem ganz natürlichen Gelärme rücksichtsloser, grober, unerzogener Menschen wohl fast niemals nachzuweisen sein. Sie lärmen und leben eben naiv


  1. R. G. 36, Nr. 42.
  2. Hierzu Gallenkamp, „Der privatrechtliche Inhalt der §§ 17, 19 und 26 der Gew.O.”, Sächs. Archiv f. bürgerl. Recht Bd. 1, 1891, S. 705–731. – Gallenkamp führte aus, dass die Verfügung einer Instanz, entweder der Verwaltungsbehörde oder des Gerichts genüge, um das Bestehen genehmigungspflichtiger Anlagen zu hindern. Wir sehen in der Praxis, dass die Verwaltungsbehörde genug Wege besitzt, um sich über privatrechtliche Verfügungen hinwegzusetzen.
Empfohlene Zitierweise:
Theodor Lessing: Der Lärm. J. F. Bergmann, Wiesbaden 1908, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_L%C3%A4rm.pdf/87&oldid=- (Version vom 31.7.2018)