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Was die in dem Eingange des zweiten Tagesbefehls enthaltene Abmahnung vor einer Ueberschreitung der Gränzen der nöthigen Strenge betrifft, so hatte es hiermit folgende Bewandniß:

Wie alle Truppen, welche zum erstenmal einen wirklichen Kampf gegen aufrührerische Bevölkerungen zu bestehen haben, nahmen anfangs auch die meisten Sächsischen Truppen in dies Verhältniß die Gewohnheiten der im vieljährigen Frieden ausgeübten polizeilichen Funktionen bei einzelnen Ausschreitungen, Widersetzungen und unbedeutenden Zusammenläufen mit hinüber, das heißt: die mit den Waffen in der Hand gefangenen Aufrührer wurden als Arrestanten behandelt und zurückgeführt. Als die Preußischen Soldaten in das Gefecht kamen, glaubten sie unter den auf den Barrikaden ihnen gegenüber stehenden Kämpfern Manche wieder zu erkennen, welche sich ihnen vor wenig über einem Jahre (im März 1848) in Berlin in eben der Art entgegengestellt hatten. Auch sie hatten damals die Ueberwundenen als Arrestanten zurückgebracht, um sie der gesetzlichen Strafe zu überliefern, aber oft gingen diese wenige Stunden nachher frei bei ihnen vorüber, weil sie: „wegen mangelnden Beweises“ wieder entlassen worden waren, (als ob es im bereits völlig entbrannten Gefechte möglich wäre, gleich auf der Stelle alle juristischen Beweismittel und nothwendigen Zeugen der Strafbarkeit jedes einzelnen Aufrührers aufstellen, konstatiren und bei der richterlichen Behörde nahmhaft machen zu können!) So waren denn die Preußischen Soldaten (ohne alle Aufforderung von Seiten ihrer Vorgesetzten) gewissermaßen stillschweigend überein gekommen, sich bei dem hier wieder bevorstehenden Kampfe nicht auf das in seinen Resultaten so durchaus unsichere, jedenfalls langwierige gerichtliche Verfahren zu verlassen, sondern, nach altem Soldaten-Ausdrucke, selbst „kurzen Prozeß“ zu machen.

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Friedrich von Waldersee: Der Kampf in Dresden im Mai 1849. E. S. Mittler und Sohn, Berlin 1849, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_in_Dresden_im_Mai_1849.pdf/192&oldid=- (Version vom 31.7.2018)