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Nachtheil. Der zu überschreitende Raum ist kürzer, und derselbe dem Seitenfeuer weniger ausgesetzt, als auf breiteren Straßen oder gar auf Plätzen, wo man nicht blos einem enfilirenden, sondern selbst einem umfassenden Feuer und den Schüssen von entfernteren Punkten her ausgesetzt ist. Hätte man, wie man es beim Ueberschreiten enger Gäßchen nachher in der Wirklichkeit that, auch in dieser Richtung hin, ehe man über eine Straße vorbrach, aus der diesseitigen Häuser-Reihe, sowohl das Feuer der Insurgenten in den gegenüberstehenden Häusern zum Schweigen gebracht, als auch die zum Herabstürzen von Steinen u. dgl. bestimmten Vertheidiger von den Fenstern entfernt gehalten, so konnte man dann (besonders wenn das jedesmalige Vorschreiten in der Nacht oder gegen Tages-Anbruch erfolgt wäre) mit ziemlich geringem Verlust in die Thür, den Thorweg, den Laden, oder eines der unteren Fenster des zum Angriffspunkte ausgewählten Hauses gewaltsam einbrechen. Sobald man aber erst im Besitz eines Hauses in einem Quarree war, so brach man (wie man nachher auch wirklich that) von Haus zu Haus durch die Brandmauern durch, bis man Herr des ganzen Quarree’s war. Nach dreimal auf diese Weise bewirkten Uebergange über neue Straßen, zu welchem es vielleicht nur eine Zeit von zweimal 24 Stunden bedurft hätte, würde man vom Schloß bis an den Altmarkt gelangt sein, wo dann wahrscheinlich eben so, wie am 9ten, der Widerstand aufgehört haben würde.

Schließlich ist noch das, gegen ein Vordringen von der Mitte aus erhobene, Bedenken zu beseitigen, als sei ein solches Vordringen zu gefährlich gewesen, weil man hier direkt auf die noch ungebrochenen Hauptkräfte der Insurgenten gestoßen und hier also eher ein Echec zu befürchten gewesen wäre.[1] Auch dies Bedenken würde nur dann anzuerkennen


  1. Man würde gegen dieses Verfahren vielleicht den beliebten Tadel ausgesprochen haben: man hätte auf diese Weise den [107] Stier bei den Hörnern angefaßt. Wie trügerisch solche sprichwörtliche Redensarten an sich sind, bedarf wohl keiner Ausführung; es bedarf in dieser Beziehung nur der Hinweisung auf einen der fehlerhaftesten Sprüche dieser Art: „man müsse dem geschlagenen Feinde goldene Brücken bauen“. – Aber auch lediglich als Vergleich genommen, ist der zuerst angeführte Spruch nicht einmal richtig: der wirkliche Stierkämpfer erfaßt gerade zuweilen die Hörner des vierbeinichten Gegners, um ihren Stoß unschädlich zu machen!
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Friedrich von Waldersee: Der Kampf in Dresden im Mai 1849. E. S. Mittler und Sohn, Berlin 1849, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_in_Dresden_im_Mai_1849.pdf/119&oldid=- (Version vom 31.7.2018)