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von dem Angriffe wirklicher fester Plätze zu geschehen pflegt.

Man hatte nämlich die Wahl zwischen:

1) der Einschließung (Cernirung),
2) der Beschießung (dem Bombardement),
3) dem gewaltsamen Angriff (dem Sturm), und
4) dem beim Belagerungskriege sogenannten regelmäßigen Angriffe, d. h. dem successiven Ueberwältigen der einzelnen feindlichen Werke durch dagegen geführte Arbeiten und durch das hierdurch möglich gemachte überlegene Feuer.

Selbstredend passen bei diesem Vergleiche (wie wohl bei jedem Vergleiche überhaupt) nicht alle Einzelnheiten; – das Grund-Princip der verschiedenen analogen Angriffsweisen, einerseits bei wirklichen Festungen, andererseits bei einer durch die revolutionäre Verrammlungs-Kunst befestigten Stadt, leuchtet jedoch deutlich durch. So mögen denn diese verschiedenen Methoden, welche eingeschlagen werden konnten, sowohl im Allgemeinen, als auch in ihren einzelnen Modificationen, selbst in den Kombinationen mehrerer Methoden mit einander, und zwar nicht allein in Bezug auf die nächste Lokalität des Kampfes und auf diesen selbst, sondern auch in Bezug auf die allgemeinen politischen und strategischen Verhältnisse außerhalb des Kampfplatzes, so wie auch in Rücksicht darauf betrachtet werden, wie der zu adoptirende Plan nicht blos die Ueberwältigung des Gegners im Allmeinen, sondern auch die verschiedenen Gradationen dieser Ueberwältigung, d. h. entweder blos die Vertreibung der insurgirten Streitkräfte, oder ihre Unterwerfung, oder endlich ihre Vernichtung ins Auge zu fassen hatte.[1]



  1. Sollte in den nachfolgenden Betrachtungen ein Widerspruch mit sich selbst, oder doch eine Unbestimmtheit in den ausgesprochenen [95] Urtheilen gefunden werden, so möge hier darauf hingewiesen werden, daß es in der Kriegskunst für jeden bestimmten Fall keineswegs auch ein bestimmtes Verfahren giebt, das unbedingt als das zweckmäßigste, oder gar als das allein richtige, anzuerkennen wäre. Im Gegentheil tritt selten eine militairische Lage ein, in der man nicht durch verschiedene Verfahrungsweise zum Ziele gelangen könnte, insofern nur das eingeschlagene Verfahren (vorausgesetzt, daß es nicht ganz widersinnig ist) an und für sich energisch und konsequent durchgeführt wird. Wohl mag diese Ansicht Vielen als eine Ketzerei gegen die allein zum Erfolg führenden sogenannten Lehrsätze der Taktik erscheinen. Es soll auch diese Ketzerei keinesweges so weit getrieben werden, daß behauptet wird: im Kriege führten alle Wege zum Ziele. Betrachtet man die Kriegsgeschichte jedoch mit unbefangenem Auge, so wird man die Ueberzeugung gewinnen, daß es im Kriege viel weniger darauf ankommt, was man thut, als wie, wie man es thut, oder anders ausgedrückt: daß nicht die strategische oder taktische Richtung, die eingeschlagen wird, entscheidet, sondern die Kraft, mit der die eingeschlagene Richtung verfolgt wird. Diesen rothen Faden verfolgend, läßt zwar die nachfolgende Betrachtung dem hier in Dresden eingeschlagenen Wege alle Gerechtigkeit widerfahren, gesteht jedoch auch andern (wenn auch nicht allen) Operationsweisen, welche erwählt werden konnten, die Möglichkeit des Gelingens zu.
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Friedrich von Waldersee: Der Kampf in Dresden im Mai 1849. E. S. Mittler und Sohn, Berlin 1849, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_in_Dresden_im_Mai_1849.pdf/107&oldid=- (Version vom 31.7.2018)