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Aus der Kulisse blickte Heise hypnotisiert auf Jo, Anbetung und Dank in den grauen Seemannsaugen.

Noch immer fasste er nicht ganz, dass dieses Mädel ihn, den Erfolglosen, den Bettler liebte. Sie war der einzige Mensch, mit dem er seit Jahren offen und rückhaltlos[1] gesprochen hatte. Vor der er Worte gefunden hatte für die Beichte seiner Sehnsucht, seiner Besessenheit, seiner Erfolgssicherheit trotz aller Niederlagen. Trotz aller scheinbaren Aussichtslosigkeit.

Und plötzlich in diesen Minuten, in denen Peter Heise hier in der rechten Seitenkulisse stand und auf seinen Auftritt harrte, wandelte sich sein Leben. Alles, was bisher Inhalt seiner Wünsche und Hoffnungen gewesen war, brach kläglich zusammen, und eine neue glühheisse Sehnsucht flammte aus den Trümmern. Bisher hatte er hinaufgelangen wollen zum Glanz, zum Ruhm, zur grossen Rolle aus Ichsucht, aus dem Verlangen, Tausende zu fesseln, zu beglücken, zu beherrschen durch seine Kunst und seine Persönlichkeit und seine Gaben.

In diesen kurzen Augenblicken änderte sich sein Weltbild. Nichts begehrte er mehr für sich, alles für Jo Ternitz. Ihr ebenbürtig werden! Ihr gleichen an Erfolg und Stellung! Ihr Beschützer und Schirmer, ihr Mann werden! Er verrankte die Finger, dass sie in die atemverhaltene Stille der Kulisse laut hinein knackten und alle sich missbilligend nach dem Störer umblickten. Überwältigend vernichtend hatte ihn wieder die Einsicht übermannt, dass er ein Nichts war, ein armseliger Chorist, und sie die gefeierte Diva. Morgen würde sie

  1. Vorlage: rückkaltlos
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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/96&oldid=- (Version vom 18.8.2016)