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Flaute.

Mein Gott! Wie spät war es denn eigentlich? Er suchte eine Uhr, seine war auf dem Leihamt. Dort – zehn nach vier. Er hatte sich zuhause nur ein bisschen waschen und propper machen wollen für den ungewohnten Besuch bei einer Dame. Was nun? Das Vernünftigste war, anzurufen und abzusagen. Hm – – ja absagen! Was sollte das alles? Ein obdachloser Bettler und ein wohlhabendes, verwöhntes Mädel – – war ja Unsinn – war einfach verrückt. Wohin sollte das führen?

Er ging und ging. Ein Schmerz war in ihm und ein Verzagen, das er trotz allem Schweren, das er in Berlin durchlebt, noch nie empfunden hatte. Und eine zornige Verzweiflung wallte in ihm auf, weil er ein Paria war, so verfemt vom Schicksal, dass er nicht zugreifen durfte, wenn das Glück ihm endlich einmal die Hand entgegenstreckte.

Er ging und ging. Die Zähne verbissen, die grauen Seemannsaugen starr vor sich hin gerichtet. Da plötzlich glomm das Feuer wieder auf, das unter der Dusche, die Frau Breitspecht auf ihn niedergetrauft hatte, fast verloschen war. Sein Optimismus, diese unverwüstliche Kraft, die ihn bisher aufrecht erhalten und gegen alle Ungunst des Geschicks hatte trotzen lassen, hob ihn wieder aus seiner tiefen Niedergeschlagenheit empor. Nein! Nicht absagen! Nicht das bisschen Glück, das sein Dasein ihm endlich bot – – bisschen Glück? Gemein! Undankbar! Ein Ozean von Glück! Dieses Mädel! Dieses herrliche Mädel lud ihn ein und er – – – – –.

Ein Übermut und eine Verwegenheit, die ihm so fremd

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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/62&oldid=- (Version vom 31.7.2018)