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Reiz des „Tenors“ erlegen waren. Es war die Gewalt seiner Stimme, sein hübsches Gesicht, sein Weltruf und das animalisch Männliche an ihm, das sie zu der Möglichkeit ihrer ersten Untreue gegen Windal verführte. Auch die Eitelkeit riss sie hin. Dieser Mann, der nach jeder Vorstellung durch die Sehnsucht und die Träume hundert aufgewühlter Frauen wandelte, begehrte sie, sie von allen Frauen in Berlin.

Bisher hatten sie sich heimlich getroffen, hatten sich in Cafés, Restaurants und Bars herumgedrückt. Aber jetzt hatte Bara unter Violas Berliner Erfahrung eine hübsche, verschwiegene, kleine möblierte Wohnung in einem guten Hause in Halensee gemietet. Es sollte ihr Liebesnest werden. Heute sollte die Einweihung erfolgen. Sie war zum ersten Mal bei ihm.

Bara lag faul ausgestreckt auf der Couch. Er liess sich oft vor den Frauen seiner Wahl gehen. Er war ja das Genie, das von der Probe heute ermüdete Genie. Viola sass auf einem bequemen Sessel an seiner Seite. Er war missmutig. Er war mit seinem Erfolg bei ihr nicht recht zufrieden. Er hatte sich eingebildet, er würde sie im Sturm nehmen, wenn sie seine Wohnung betrat. Aber die Festung hielt stand. Sie liess sich nicht durch einen Handstreich überwältigen. Neben dem instinktiven Wunsch, sich kostbar zu machen, war noch etwas in der jungen Frau, das sie zurückhielt. Etwas, worüber sie sich, trotz aller Klugheit, nicht ganz klar war. Etwas, das sie, bei aller Bewunderung, von diesem Mann zurückhielt. Etwas Ungeistiges war an ihm, das sie abschreckte. Und aus dieser Unsicherheit heraus rief sie jetzt mit der Intensität

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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/43&oldid=- (Version vom 31.7.2018)