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und brutaler.

Sie dachte jetzt an den Schwur, den sie sich geleistet hatte. Aber sie gab Bara nicht frei. Sie fühlte triebhaft, dass nach einer neuen Niederlage ihrer Liebe ihr Leben als Weib beendet war, und krallte sich, aller Vernunft, allem Zartsinn, aller Ehre zum Trotz, an diesen Mann, der, wie ihr Instinkt wusste, der letzte Mann ihres Daseins war.

Sie ertrug die Lüge und Demütigung in feigem Schmerz lieber als die Wahrheit und das Verlassenwerden und schämte sich und fühlte sich mit Füssen getreten und entmenscht. Und liess dennoch alle Schmach über sich ergehen, in dem verbissenen, selbstbetrügerischen, selbstdurchschauten Wahn, er könne doch noch zu ihr zurückfinden.

Fatma stand am Fenster, starrte hinaus in die Nacht, die jetzt über Berlin lag, und wartete auf Bara mit dem Essen. Seit dem Frühstück am Morgen hatte sie keinen Bissen berührt. Sie wartete auf ihn, obwohl ihr Verstand wusste, dass er nicht kommen würde, wie er gestern nicht gekommen war und vorgestern. Nur auf der Probe hatte sie ihn an den beiden letzten Tagen gesehen und hatte, wie heute, am Fenster gestanden und gewartet und in das Nebenzimmer hineingelauscht mit den überwachen Sinnen der Eifersucht und Selbsterniedrigung. Er war nicht gekommen.

Erst spät in der Nacht hörte sie seine Tür gehen. Aber sie wagte sich nicht zu ihm hinein, nicht aus Stolz – nein. Den Stolz hatte er in ihr zertreten – oder sie selbst. Sie ging nicht zu ihm aus Furcht vor der letzten Wahrheit.




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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/40&oldid=- (Version vom 31.7.2018)