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Wintertages. Ihre Züge hatten etwas von der blassen Überkultur und Überfeinerung der Gesichter vornehmer Chinesinnen aus uraltem Geschlecht. An dieses Asiatentum erinnerte seltsamerweise an dieser nordischen Frau die schräge Stellung der Augenbrauen, nicht der verschleierten braunen Augen. Etwas Sinnendes, Nachdenkliches war in diesen Augen. Eine wehe Erfahrung des Leides und des Wehs dieser Erde.

Sie war gross und schlank, fast mager. Der Charme ihrer Bewegungen und Haltung war längst Vorbild und Schule für alles junge Bühnenvolk geworden. Ihre schauspielerische Befähigung war ihrer genialen Stimme ebenbürtig. In Amerika hatte man sie die „Duse der Oper“ getauft. Auch weil sie im Eindruck an die grosse Italienerin erinnerte.

Fatma Nansen hatte das Theater allein verlassen. Die Rüpelei Baras vor aller Augen hatte sie zu tief verletzt. Hatte ihr die letzte Möglichkeit ihres verzweifelten Selbstbetrugs entwunden. Jetzt wusste sie, was sie längst ahnte, witterte, wusste, – ja doch, wusste! – dass Bara ihrer endgültig überdrüssig war. Dass er sie und ihre Liebe als Qual und Last und Beschränkung seines Lebens empfand, weil er eine andere liebte. Seine unbeherrschte Roheit vor dem versammelten Theatertross war nur das letzte untrügliche Zeichen gewesen. Sie hatte das Gleiche schon einmal erlebt. Vor Jahren, vor langen Jahren. Es war ihr, als kröchen Gespenster heraus aus der Vergangenheit. Wieder wandte sie den Kopf zurück in das Zimmer, das nun ganz dunkel geworden war. Sie erschauerte in einer spukhaften Angst.

Aber damals, als sie den Sänger Lamarc geliebt hatte, ihre

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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/34&oldid=- (Version vom 31.7.2018)