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dieser Chorist, über dessen Verteidigung er heimlich hochbeglückt gewesen war. Alle berühmtesten Verteidiger von Berlin hatten ihn um diese sensationelle freispruch-sichere Verteidigung beneidet. Und nun lief auch für ihn alles anders, als er es sich gedacht und ausgemalt hatte. Er war in eine verteufelt verzwickte, fatale Lage geraten. Statt leichte Lorbeeren, sicheren Triumph zu ernten, spielte er eine blamable, fast lächerliche Rolle mit diesem Klienten, der ihm in öffentlicher Sitzung das Vertrauen entzog. Zum Verzweifeln, dieser geistesschwache Mensch!

Auch im Publikum wuchs die Missstimmung[1]. Der Sänger war zu blöd. Das war der Mann, den alle Frauen vergötterten, den die Stimme des Volkes als Troubadour, als Ritter ohne Furcht und Tadel gefeiert hatte? Na!

Der Präsident lehnte sich jetzt in seinen Paradesessel zurück, als wollte er sich auf eine neue, kraftraubende Anstrengung vorbereiten.

„Also Sie leugnen,“ stellte er kalt und unpersönlich fest. „Dann müssen wir eben die Vorgänge sorgfältig durchleuchten. Geben Sie zu, am Tage des Mordes während der Vorstellung den Tenor Bara geschlagen zu haben?“

„Das gebe ich zu. Das heisst, geschlagen habe ich ihn nicht, nur gepackt und hingeschleudert.“

Bewegung. Der Staatsanwalt notiert emsig.

„Weshalb haben Sie das getan?“

Der Vorsitzende wird wieder persönlicher, menschlicher.


  1. Vorlage: Misstimmung
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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/186&oldid=- (Version vom 23.8.2020)