Seite:Der Held von Berlin.pdf/176

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Fatma blickte in den Saal, entrückt, selbstvergessen, das verlorene Lächeln um den armen Mund mit den tiefen Runen ihrer leidenschaftlichen Vergangenheit.

Jo erging es wunderbar. Nie zuvor war ihr dieser Mann von der Insel Sylt so – so weltfremd, so Don Quichotehaft erschienen wie in diesen kurzen Augenblicken, in denen er das Abschiedslied des Columbus sang, in denen er seine Stimme, sein Können, sich, sein Leben, seinen Ehrgeiz, seinen fanatischen Willen zu gelten, zu wirken, in dieses Lied zusammengeballt, dem Publikum hinschleuderte. Ein grenzenloses Erbarmen, ein erstickendes Mitleid quoll in ihr auf. Alles andere war vergessen und vergangen. Nie gewesen. Nur das weite grosse erschütterte Muttergefühl schluchzte in ihr empor. Es war ihr, als müsse sie hineilen in den Saal, zur Anklagebank, diesen armen zerquälten Menschen an sich ziehen, seinen irren Kopf an ihrer Brust bergen, ihn sänftigen und streicheln, ihn schützen gegen die rauhe böse Welt der Wirklichkeit, die er nicht sah, nicht kannte, nicht begriff. Als müsse sie diesen armen reinen Tor mit ihrem Leib beschirmen gegen das Ungemach, das ihn bedrohte.

Sie weinte, ohne dass sie es wusste. Sie liebte Peter Heise wieder stärker und selbstloser, geläuterter und opferbereiter, als sie ihn ehedem geliebt hatte. Liebte ihn kritiklos, wie wahre Liebe liebt. Liebte ihn mit allen seinen Fehlern und Schwächen und Makeln. Liebte ihn doppelt und dreifach wegen dieser Mängel und Hilflosigkeit. Fragte nicht mehr nach seiner Gegenliebe, liebte ihn und gehörte ihm, weil er der Mann war, er allein, zu dem es sie hintrieb, für den sie geschaffen war, ziellos,

Empfohlene Zitierweise:
Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/176&oldid=- (Version vom 23.8.2020)