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den heissen Körpern dampfte eine feuchte Hitze empor.

„Wenn aus dem Publikum noch ein Laut des Beifalls oder des Missfallens hörbar wird, lass ich den Zuschauerraum räumen. Unweigerlich. Sofort.“

Die Stimme war entschlossen, hart, unerbittlich. Jeder wusste, es war keine leere Drohung. Dann wandte der Vorsitzende sich der Anklagebank zu.

„Lassen Sie den Angeklagten wieder vortreten,“ befahl er gelassen, als wäre nichts besonderes geschehen.

Die Beamten gaben Heise frei. Mit verwirrtem Haar, zerknittertem Schlips, zerdrücktem Kragen trat er, den zerzausten Anzug mit kurzen Schulterbewegungen um sich raffend, an die Barriere der Anklagebank. In seinem Gesicht rangen Triumph und Zweifel.

„Angeklagter,“ sagte der Präsident leise, aber scharf, „Sie haben die Würde dieser Stätte in frevelhafter Weise verletzt. Wenn –“

Wieder unterbrach ihn Heise.

„Das tut mir aufrichtig leid, Herr Präsident. Aber Not kennt[1] kein Gebot. Ich musste hier singen.“ Und mit jäher Drehung an das Publikum sich wendend, rief er naiv:

„Haben Sie genug gehört? Können Sie sich schon ein Urteil bilden? Oder soll ich noch mehr singen?“

„Weiter singen! Mehr singen!“ riefen einige Damen, unbelehrbar, wie Frauen sind.

„Der Zuschauerraum wird geräumt. Ich unterbreche die Sitzung auf eine halbe Stunde. Der Angeklagte ist abzuführen.“


  1. Vorlage: kenn
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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/169&oldid=- (Version vom 7.1.2019)