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die Fingerspitzen voller Musik. Bis morgen früh muss ich sattelfest in der Rolle sitzen.“

„Woher weisst du, dass er – – – tot ist?“

Sie fühlte, wie sich die Haare aufstellten auf ihrer gefrorenen Schädeldecke.

„Frag nicht,“ wich er aus, „wir wollen uns die Stimmung, die wir brauchen, nicht gewaltsam zerstören. Wir haben alle unsere Kräfte nötig. Jede Sekunde bis morgen früh müssen wir ausnützen. Nie kommt die Gelegenheit wieder.“

Er ging zum Flügel, suchte die Partitur, rammte sie auf das Notenpult.

„Peter, mir graut vor dir,“ flüsterte sie erstickt hinter ihm.

Er wandte sich heftig um, sah sie lange an, dann sagte er traurig: „Jo, weisst du nicht, dass alles nur für dich geschieht? Glaubst du, mir ist leicht ums Herz? Ich darf jetzt nicht schwach und weinerlich werden. Ich will jetzt nicht menschlich und gefühlvoll sein. All die Jahre der Not stehen in mir auf und warnen mich und rufen und zeigen mir den Weg. Nie wieder kommt diese Chance. Glaubst du, ich empfinde meine Gemütsroheit nicht selbst? Aber stärker, tausendmal stärker in mir ist die Gewissheit, dass mein Leben am Scheideweg steht. Entweder ich bin ein Kerl und gehe den Weg zum Erfolg, rücksichtslos und ohn Gefühlsduselei – oder ich bin eben zum ewigen Choristen geboren.

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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/113&oldid=- (Version vom 6.1.2019)