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Ehre war. Er war ein Mann. Das genügte ihrem gebrochenen Gemüt. Ein Mann, der für sie in die Schranken trat und seine Stellung für sie in die Schanze schlug. Ein Mann, – sie blickte verzagt in den Spiegel – der sie vielleicht heimlich liebte.

Sie klammerte sich an diesen Glauben, der ihr das Leben rettete. Dann war sie doch nicht von allen geächtet und verworfen. Dann war sie doch noch begehrenswert und begehrt. Dann gab es doch noch Männer, die ihre Existenz für sie hinschleuderten, ohne einen anderen Dank zu fordern als das Bewusstsein, sie zu beschützen und zu beschirmen. Sie suchte sich ihren Ritter zu vergegenwärtigen. Ja, ja, sie erinnerte sich, gross, sehnig, schlank. Das Gesicht konnte sie nicht deutlich sehen. Dass sie ihn nie zuvor bemerkt hatte! Seltsam. Freilich hatte ihre unselige Leidenschaft für Bara sie mit einer Blindheit geschlagen, die alles ausser ihn in den Nebel und Unsichtbarkeit hüllte.

Sie wollte hinauseilen, wollte ihn sprechen, ihm danken. Da sah sie ihr Gesicht im Spiegel. Nein, nicht heute Abend. Sie sah elend und welk aus. Nein, erst sich erholen. Sie wollte seine Adresse erfragen und ihm schreiben.

Neu belebt beendete sie ihre Toilette. Nein, nicht sterben wegen dieses Rohlings. Noch gab es Männer, die sie begehrten. Noch war sie nicht von allen verschmäht und verachtet. Noch nicht.

Jetzt umstand das gesamte Personal Heise, soweit es nicht beim Ankleiden in den Garderoben war. Der

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Alfred Schirokauer: Der Held von Berlin. Typoskript, Berlin o. J., Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Held_von_Berlin.pdf/104&oldid=- (Version vom 31.7.2018)