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Menschen für gut hält; indem er, um den Staat zu behaupten, häufig genöthigt ist, gegen die Treue, gegen die Liebe, die Menschlichkeit, gegen die Religion zu wirken. Deßhalb sein Geist beständig bereit, sich zu wenden seyn muß, nachdem es die Stürme und Wechsel des Glückes ihm gebieten, und, wie ich oben sagte, vom Guten nicht abgehen, wenn er kann, doch ins Übel auch eingehen können, wenn genöthigt. Es soll daher ein Fürst gar sehr sich hüthen, aus seinem Munde irgend was kommen zu lassen, das nicht voll der fünf obigen Eigenschaften wäre: er scheine, wenn man ihn sieht und hört, ganz Güte, ganz Treue, ganz Menschlichkeit, ganz Redlichkeit, ganz Religion. Und zwar ist nichts nothwendiger daß man es zu besitzen scheine, als diese letztere Eigenschaft; da die Menschen im allgemeinen mehr nach den Augen, als nach den Händen schließen: weil zu sehen einem Jeden gegeben ist, zu fühlen, Wenigen. Jeder sieht was du scheinest, Wenige fühlen was du bist: und diese Wenigen wagen sich nicht, der Meinung der Vielen, die die Majestät des Staates zum Schutze für sich haben, zu widersetzen; und bei den Handlungen aller Menschen, hauptsächlich aber der Fürsten, (wo es über Beschwerden kein Gericht giebt) wird auf’s Ende gesehen. Es sorge demnach ein Fürst, die Oberhand und den Staat zu behaupten, so werden die Mittel immer ehrenvoll, und von jedermann löblich befunden werden: weil der Pöbel immer von dem, was scheint, und der Dinge Erfolg befangen wird; und in der Welt ist nichts als Pöbel. Die Wenigen finden nur dann eine Stelle darin, wenn die Vielen keine Stütze haben, an welche sie sich lehnen können. Ein gewisser Fürst dieser heutigen Zeit, den man zu nennen nicht rathsam findet, predigt nichts andres als Treue und

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Niccolò Machiavelli: Der Fürst. Stuttgart, Tübingen 1842, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_F%C3%BCrst_(Machiavelli_Regis)_091.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)