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bestehn kann, gefürchtet, und nicht gehaßt zu werden, welches er immer erreichen wird, so lange er sich des Eigenthums seiner Unterthanen und Bürger, und ihrer Frauen enthält): und wenn er dennoch genöthigt wäre, gegen das Leben eines derselben zu verfahren, darf er’s nicht thun ohne hinreichende Rechtfertigung und in die Augen springende Gründe. Aber vor allem muß er sich fremden Besitzes enthalten, weil die Menschen eher den Tod des Vaters, als den Verlust des Erbguts verschmerzen. Ausserdem fehlt es, die Güter zu nehmen, niemals an Gründen, und immer findet Einer, der sich vom Raube zu leben gewöhnt, Anlässe, des Fremden sich anzumaaßen: hingegen wider das Leben sind sie seltener, und fehlt eher daran. Wenn aber ein Fürst mit den Heeren ist, und eine Menge Soldaten befehligt, dann ist es ganz unerläßlich, sich um den Namen des Grausamen nicht zu kümmern; weil ohne diesen Namen niemals ein Heer in Einheit noch geneigt für eine Sache erhalten ward. Unter die staunenswürdigen Thaten des Hannibal wird auch die gezählt, daß in dem ungeheuern Heere, welches er, aus unzähligen Menschen-Arten gemischt, in ein fremdes Land zu Führung des Krieges geleitet hatte, sich niemals weder unter ihnen, noch gegen den Fürsten ein Zwiespalt erhub, sowohl in seinem schlimmen Glück, als auch im guten: wovon nichts andres der Grund seyn konnte, als diese seine unmenschliche Grausamkeit, die, nebst seinen unzähligen Tugenden, ihn immer ehrwürdig und furchtbar in den Augen seiner Leute erhielt, und ohne die seine anderen Tugenden jene Wirkung hervorzubringen nicht ausgereicht hätten. Die unbedachtsamen Schriftsteller gleichwohl bewundern auf der einen Seite diese seine Handlungen, und auf der andern verdammen sie die wesentlichste Ursach

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Niccolò Machiavelli: Der Fürst. Stuttgart, Tübingen 1842, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_F%C3%BCrst_(Machiavelli_Regis)_087.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)