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Laster sich zuzuziehen, ohne welche er schwerlich den Staat sich erhalten könnte: denn wenn man alles wohl erwägen will, so wird sich finden, daß etwas als Tugend erscheinen kann, das, wenn er es befolgen wollte, sein Untergang wäre, und etwas andres erscheint als Laster, aus dessen Befolgung ihm Sicherheit und Wohlstand erwächst.


Sechszehntes Kapitel.
Von der Freigebigkeit und Kargheit.

Um nun bei den ersten der vorgenannten Eigenschaften den Anfang zu machen, sage ich: es wäre gut, für freigebig gehalten zu werden. Gleichwohl, wenn du die Freigebigkeit so ausübst, daß man dich nicht dafür hält, so schadet sie dir; weil, wenn dieselbe tugendhaft, und so wie es seyn soll, ausgeübt wird, sie unbekannt bleibt, und du den Schimpf ihres Gegentheils nicht los wirst. Mithin ist man genöthigt, wenn man sich unter den Menschen einen freigebigen Namen erhalten will, kein Erforderniß des Aufwands zu sparen: also, daß immer ein solcher Fürst mit dergleichen Werken sein ganzes Vermögen erschöpfen, und endlich gezwungen seyn wird, das Volk ausserordentlich zu beschweren, fiskalisch zu Werke zu gehen, und alle Mittel hervorzusuchen, wodurch man Geld erpreßt. Dieß fängt ihn an bei den Unterthanen verhaßt, und sonst überall geringgeschätzt zu machen, als einen Verarmenden; dergestalt, daß er, nachdem er mit dieser seiner Freigebigkeit sehr Viele verletzt, und Wenige begnadigt hat, jeden ersten Unfall empfindet, jeder ersten Gefahr blossteht; und wenn er, dieß nun bemerkend, damit inne halten will, sich sogleich den Schimpf der Kargheit zuzieht. Ein Fürst daher, der diese

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Niccolò Machiavelli: Der Fürst. Stuttgart, Tübingen 1842, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_F%C3%BCrst_(Machiavelli_Regis)_082.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)