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je die Erlaubniß ab, in jener Provinz ein Reich zu besitzen. Daher die Römer in diesen Fällen nur thaten was jeder weise Fürst thun muß, der nicht nur gegenwärtigen Anstoß, sondern auch künftigen zu bedenken und alles Ernstes zu meiden hat: da, wenn man es schon von weitem vorsieht, ihm leicht begegnet werden mag, hingegen wenn man es ankommen läßt, die Arzeney nicht mehr zu recht kommt, nachdem das Übel unheilbar geworden: und es damit beschaffen ist wie mit der Schwindsucht, die, nach den Ärzten, im Anfang der Krankheit leicht zu curiren und schwer zu erkennen ist, im Verlaufe der Zeit aber, wenn man sie anfangs nicht erkannt noch behandelt hat, leicht zu erkennen und schwierig zu curiren wird. So geht es auch in Regierungssachen: hat man die hier entspringenden Übel von weitem erkannt (was nur dem Klugen gegeben ist) so heilt man sie bald. Läßt man sie aber, aus Nichterkenntniß, erst wachsen bis sie ein Jeder erkennt, so ist keine Hülfe mehr dagegen. Weßhalb die Römer, weil sie sie schon von weitem sahen, die Störungen immer beseitigt, und nie, um einem Kriege zu entgehen, sie überhand haben nehmen lassen. Denn sie wußten, daß man, zum Vortheil des Feindes, den Krieg nicht anfängt, wohl aber aufschiebt; darum wollten sie in Griechenland mit Philipp und Antiochus schlagen, um es nicht in Italien zu müssen, obschon sie für den Augenblick eins wie das andre vermeiden konnten; aber sie wollten es nicht, und nie behagte ihnen was unsre Weisen des Tages stündlich im Munde führen: man solle die Gaben der Zeit genießen: wohl aber die Ihrer Tugend und Klugheit. Denn die Zeit treibt alles vor sich her, und kann Gutes wie Böses, Böses wie Gutes in gleichem Maße mit sich führen. – Kommen wir aber auf Frankreich zurück,

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Niccolò Machiavelli: Der Fürst. Stuttgart, Tübingen 1842, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_F%C3%BCrst_(Machiavelli_Regis)_028.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)