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Ganze hatte einen nicht ungünstigen Eindruck auf mich gemacht, weshalb ich versprach, auch dem Abendgottesdienste beizuwohnen, der in der Sprache der Irviniten der evangelische genannt wird und um 7 Uhr ebenfalls mit Gesang beginnt. Dann erschien „der Evangelist“ auf der Kanzel und sprach über 1. Mos., V. 10., Hauptgedanke war: das Paradies ist das Vorbild der Kirche Christi, der Strom, welcher den Garten durchwässert, ist Christus, die vier Arme desselben sind die Symbole der vier Evangelisten, die er seiner Kirche gab, für alle Ewigkeit gab, wie die zwölf Apostel, die Priester und die Diakonen, welche vier Orden ebenfalls in den vier Ausflüssen dargestellt sind, denn Gott ist kein solcher, der da giebt und wieder zurücknimmt. Hierauf erklärte er die symbolische Bedeutung der Zahl sieben, welche sich häufig im alten und neuen Testamente, hauptsächlich aber in der Offenbarung vorfindet. Unter anderem erklärte er auch, wie das Urbild der christlichen Kirche sowohl im alten Testamente durch die zwölf Stämme Israels, wie in der Apokalypse durch die zwölf Throne ausgedrückt sei, daß die zwölf Stämme und die zwölf Apostel die Säulen des Baues seien, ohne welche er nicht stehen könne, daß die Throne zugleich die Macht und Herrlichkeit der Kirche bedeuten. Dann wandte er sich gegen das Papstthum, indem er zu beweisen suchte, daß Petrus nicht der Felsen sei, auf dem die Kirche ruhe, sondern Christus, ja daß der ganze Zerfall der christlichen Kirche daher rühre, daß sie die zwölf Pfeiler nicht aufrecht erhalten, sondern dem Petrus und seinen Nachfolgern als Statthaltern Christi eine allzu große Bedeutung beigemessen habe, daß daher die Irvinitische Kirche das einzige Urbild der wirklichen Kirche Christi in sich trage.

Die Predigt war außerordentlich gelehrt und machte einen tiefen Eindruck auf mich. Fräulein D. stellte mich eines Tages einem Priester Namens B. vor, und zwar im Beichtstuhle; dieser Geistliche betrieb von diesem Augenblick meine Bekehrung mit dem größten Eifer, besuchte mich häufig und betete mit mir und für mich, jeden seiner Lehrsätze mit einer Bibelstelle belegend.

Bilder verehren die Irviniten nicht, aber sie verbeugen sich vor dem Altar, glauben an die Fürsprache der Heiligen, Reinigung der Seelen nach dem Tode, an die Wirksamkeit des Gebetes für dieselben, und schreiben dem Gebet der Geistlichen unfehlbare Kraft zu. Auf den