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 Diese lutherischen Theologen haben sich in der Auslegung des prophetischen Wortes von dem sonst allgemein feststehenden lutherischen Grundsatz von der wörtlichen Auslegung der Schrift abbringen lassen durch die Worte unseres Augsburgischen Bekenntnisses: „Auch werden verworfen etliche jüdische Lehren, die sich jetzund eräugen (ereignen), daß eitel Fromme ein weltlich Reich haben werden nach Vertilgung aller Gottlosen.“

 Unseren Reformatoren war ein tieferer Einblick in die Prophetie des alten Testamentes, soweit sich dieselbe nicht mit Leben, Sterben und Auferstehung des Herrn Christus beschäftigt, sondern mit dem zukünftigen Geschick des Volkes Israel befaßt, nicht gegeben; daher sahen sie auch nicht die Herrlichkeitsgestalt des Reiches Gottes in dem reinen Bilde der biblischen Wahrheit; was ihnen in den Anschauungen der Wiedertäufer entgegentrat, war eine Verzerrung des reinen Bildes, die ihren Grund hatte in den fleischlichen Neigungen irdisch gesinnter Menschen. Mit vollem Recht haben die Reformatoren diese jüdischen und wiedertäuferischen Lehren verworfen; weiter aber greift der Artikel 17 des Augsburgischen Bekenntnisses nicht. Was die Reformatoren nicht kannten, – nämlich das reine Bild der biblischen Wahrheit über die Zukunft des Volkes Israel – das konnten sie auch nicht verwerfen. Die Lehre der Wiedertäufer hat höchstens die Bedeutung einer Tangente, d. h. einer Linie, gezogen an den Kreis der christlichen Wahrheit, die denselben zwar berührt, aber nicht in ihn eindringt.

 Die Gläubigen der Gegenwart haben sehr wenig Ursache, sich in süßen Träumen über die etwaige Teilnahme an dem Glück jener Zeit zu ergehen. Zwischen der Gegenwart und jenem Friedensreich, in dem doch Israel der Mittelpunkt ist, steht das Aufkommen des Antichrists und seine dreieinhalbjährige Herrschaft, welche mit den Bekennern Jesu, so viel man sehen kann, gänzlich aufräumen wird. Es gilt also für den Gläubigen, vor allem sich zu bereiten, tüchtig zu werden, seinen Heiland zu bekennen, d. h. ein ernstes Leben der Heiligung in seinem Dienst und im Halten seiner Worte zu führen. Wollte aber ein Christ sich damit befassen, die Herrlichkeit des sogenannten tausendjährigen Reiches sich recht auszumalen und darin Förderung seines geistlichen Lebens zu suchen, so würde er dadurch Gefahr laufen, seine geistige Kraft zu schwächen und das bessere Teil, nämlich die vollkommene Seligkeit der Ewigkeit zu verlieren. Davor bewahre uns lieber Herre Gott!





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