Seite:De merian Westphaliae 039.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Lüttich.

Ist die Haupt-Statt deß Bischthumbs / gleichen Namens / so auch zu dem Westphälischen Craiß gehörig; wiewol es dem Land / eygentlich Westphalen genannt / ziemlich entlegen ist. Es wird diese weitberühmbte / auff Teutsch genante Statt Lüttich / von den Lateinern Leodium, von den Frantzosen / vnnd den Innwohnern Liege, vnd von den Niderländern Lück / oder Luyck / geheissen / welcher Name ihr von dem Wässerlein Legie, oder Liege, Legione, so allda vber den Marckt laufft / herkommen: Solches Wässerleins Benamsung aber seinen Vrsprung von einer Römischen Legion haben solle. Dann die Eburones, so vor Zeiten da gewohnet / auß Anstifftung ihres Haupts / deß Ambiorigen / deß Caesaris Legatos, Cottam, vnd Sabinum, sampt einer Legion / vnd fünff Cohorten / Romischer Kriegsknecht / erschlagen haben. Es wil aber dem Ortelio solche Herführung deß Namens nicht gefallen; vnd seyn die wenigsten / so da wissen solten / daß besagtes Wässerlein / einen Namen habe. Daher er deß Vrsprungs halber dieses Namens der Statt / nichts gewisses schliessen wil.

Es ist Lüttich / vor deß heiligen Lamberti Zeiten / nur ein Dorff gewesen / vnd waren / vnter den Pipinis, das Heristallum, vnd Jupilla, so nicht weit von hier an der Maaß gelegen / vnd jetzt Dörffer seyn / viel mehrers berühmbt: Wie dann Lüttich / biß auff diese Zeit / Keyser Carls deß Grossen / ein Dorff blieben seyn solle. Bischoff Notgerus, der im Jahr 1007. gestorben / hat die Statt mit einer Mawer vmbgeben / vnnd innerhalb 36. Jahren / viel stattliche Gebäw allhie geführet / daß er gleichsam für den Erbawer der Statt / zuhalten ist. Es ist dieses ein grosse / vnd schöne Statt / der Statt Rouen in Franckreich in der Grösse gleich / auch vber die massen Volckreich. Die Maaß fleußt mit zweyen Armen hinein / vnd macht etliche bewohnte Insuln. Hat auch etliche bewohnte Thäler in ihrem Begriff: Item / etliche Berg mit Weinreben gepflatzt / vnnd viel herrliche Brünne / also / daß in manchem Hauß auff die 2. oder 3. gefunden werden. Ist ziemlich vest / vnd mit hohen Mawren vmbgeben; hat auch schöne / weite Gassen / da man hin vnd wider lustige / lautere Bächlein finden thut. Ihr Vmbkreyß wird von vier Welschen Meilen gehalten. Ligt sechs Meilen von Mastricht / dreyzehen von Löven / siebenzehen von Brüssel / ein vnd zwantzig von Antorff / neun vnd dreyssig vnd ein halbe Meil von Franckfurt / wie Scotus, in seinem Raißbuch / erinnert. Gegen Mittag / ligt der Ardenner Wald / vnd auff der andern Seiten / ist das Land Hasbania, oder Heßbain / so sehr fruchtbar ist. Der Statt gantzes Lager ist sehr anmuthig / vnd bequem. Dann hat einer Lust auff die Berge zusteigen / so kan er solche allda nach Wundsch haben / vnd sich wol ermüden: Er findet auch darauff Steinkohlen zugraben. Ist er lieber in der Ebene / vnd wil auff den Wiesen spatzieren gehen; so gibet ihme die Statt in ihrer Mitte solches auch vberflüssig dar. Trägt einer Verlangen auff einem Schiff zufahren / so hat er ein anders Venedig allda vor ihme; allein das / an statt der stinckenden Meerpfützen / er zu Lüttich lebendiges / vnd frisches Wasser haben kan. Treibet einen seine Andacht in die Kirchen / so hat er deren inn- vnd ausser der Statt (dann es grosse / vnd Volckreiche Vorstätte da gibet) vber die Hundert; darunter allein in der Statt zwey vnd dreyssig Pfarrkirchen / vnnd zwar / alle vber die massen statelich erbawet / ansehenlich begabet / vnd schön gezieret: Item / neben dem Haupt-Stifft / noch andere sieben Stiffter; in welchen allen sehr reiche Thumbherrn sich auffhalten: Vnd dann vier sehr reiche Abteyen / mit herrlichen Bibliothecken / versehen / neben vielen andern Klöstern / vnd Spitälen / etc. seyn. Wil einer allda studieren / so findet er viel vnderschiedliche Schulen / vnd sehr viel gelehrte Leut. Vnd ist diese Statt / wegen solcher wolbestelten Schulen / jederzeit berühmbt gewesen.

Vnd lieset man / daß einmals an diesem Ort / zugleich neun Königs Söhne / vier vnd zwantzig Hertzogs Söhne / vnd neun vnd zwantzig Graffen / ausser der Freyherrn / von Adel / vnnd anderer fürnehmen Leute Kinder / gestudiert haben: Wie Guicciardinus, auß Huberto Thoma Leodio, Georgius Braun / Pet. Bertius, vnd der Autor deß Textes / vber den Atlantem Mercatoris, solches bezeugen: Wiewol Abraham Sauer / vnnd Adrianus Romanus, in ihren Stättbüchern / es anders erzehlen; auch Meibomius in seinen notis ad Levoldi Northovii Origines Marchanas, auß der grossen Niderländischen Chronic / sagt: Daß Anno 1131. bey der Kirchen zu Lüttich / ein vnd zwantzig Königen / vierzehen Hertzogen / oder Fürsten / neun vnd zwantzig Graffen / sieben Ritter / vnnd Freyherrn Söhne / vnd vnter denselben auch vnderschiedlicher Nationen Doctores, vnd offentliche Magistri gewesen / so daselbsten / als Domherrn / residiert haben. Siehe auch die durch ihn Meibomium vermehrete Braunschweigische Chronic / am 129. Blat. Die Innwohner seyn höfflich / Gastfrey / Sinnreich / eines subtilen Verstands / vnnd zu allen Sachen geschickt; auch in den Kriegen streitbar: Wiewol man die meisten vnter ihnen beschuldigen wil / daß sie gemeinlich mehr zum Müssiggang / vnnd Zwytrachten / dann zur Arbeit / vnnd Einigkeit / geneigt; vnd / wegen ihrer Stärcke / kühn vnnd frech / auch gute Säuffer seyen. Ihre Spraach helt man für grob

Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Westphaliae. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1647, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_merian_Westphaliae_039.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)