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und grundsätzlichen Gegnerschaft gegen die Zeiterscheinung von Kirche und[WS 1] Christentum hervor. Und dabei, wie Erasmus später immer wieder hervorgehoben hat, nirgendwo die Gegner mit Namen genannt, kein Angriff auf Personen. Um so schärfer der auf die Institutionen, und wenn die gefährlichsten Feinde einer Institution nicht diejenigen sind, die von außen kommen, sie überhaupt verneinen, sondern die, welche in der Institution selbst die Idee gegen die Erscheinung erheben, so hat in der Tat das katholische Kirchenwesen vor der Reformation keinen gefährlicheren Feind gehabt als Erasmus.

So wurde Erasmus, wie Ranke gesagt hat, der erste große Autor der Opposition im modernen Sinne. Er wurde aber auch das Haupt und der Vereinigungspunkt aller Richtungen des deutschen Humanismus. Sie alle, von den konservativen theologisierenden Humanisten des Elsaß, aus denen jetzt das kritische Talent des Beatus Rhenanus herauswächst, über die vornehme Gelehrsamkeit des Peutinger-Pirckheimer Kreises in Augsburg und Nürnberg und über die Wiener Celtisschule, die jetzt durch drei so hervorragende Geister wie Aventin, Vadian und Cuspinian repräsentiert ist, bis hin zu dem aufklärerischen Kreise Mutians, finden ihre eigenen Bestrebungen in höherer Form und glänzenderer Darstellung bei Erasmus wieder. Es ist so, wie es später der Schweizer Johannes Keßler in seiner „Sabbata“ ausspricht: „Sein Name ist in ein Sprichwort verwandelt Was künstlich, fürsichtig, gelehrt und weis geschrieben ist, spricht man, das ist erasmisch, das heißt unfehlbar und vollkommen.“

Für den von mir zu erleuchtenden geistesgeschichtlichen Zusammenhang ist es das Wichtigste zu erkennen, wie sich nun die erasmische Aufklärung mit dem national-kämpferischen Geiste der deutschen humanistischen Romantik zusammenfindet. Man kann den Zusammenhang zunächst durch eine theoretische Erwägung verdeutlichen: Wir sahen, wie stark der religiöse Grundzug auch in den scheinbar ganz weltlichen Richtungen dieses romantischen Humanismus war. Auch hinter den völkischen Bestrebungen der Celtisschule steht ein religiöses Ideal. Wenn sie die Druiden für die alte germanische Kultur in Anspruch nimmt, so soll das nicht nur dazu dienen, den Vorwurf zu widerlegen, daß die Germanen von Wissenschaft und Kunst nichts verstanden hätten, sondern auch nachzuweisen, daß die Germanen Priester gehabt hätten, die nicht,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: nnd
Empfohlene Zitierweise:
Paul Joachimsen: Der Humanismus und die Entwicklung des deutschen Geistes. Aus: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 8. 1930, Seite 459. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_humanismus_(joachimsen)_041.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)