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in dem Oberhaupte des Staats vereinigt bleiben, und der Souverain kann durch eine landständische Verfassung nur in der Ausübung bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stände gebunden werden.

Art. LVIII. Die im Bunde vereinten souverainen Fürsten dürfen durch keine landständische Verfassung in der Erfüllung ihrer bundesmäßigen Verpflichtungen gehindert oder beschränkt werden.

Art. LIX. Wo die Oeffentlichkeit landständischer Verhandlungen durch die Verfassung gestattet ist, muß durch die Geschäfts-Ordnung dafür gesorgt werden, daß die gesetzlichen Grenzen der freien Aeußerung, weder bey den Verhandlungen selbst, noch bey deren Bekanntmachung durch den Druck, auf eine die Ruhe des einzelnen Bundesstaats oder des gesammten Deutschlands gefährdende Weise überschritten werden.

Art. LX. Wenn von einem Bundes-Gliede die Garantie des Bundes für die in seinem Lande eingeführte landständische Verfassung nachgesucht wird, so ist die Bundes-Versammlung berechtigt, solche zu übernehmen. Sie erhält dadurch die Befugniß, auf Anrufen der Betheiligten, die Verfassung aufrecht zu erhalten, und die über Auslegung oder Anwendung derselben entstandenen Irrungen, so fern dafür nicht anderweitig Mittel und Wege gesetzlich vorgeschrieben sind, durch gütliche Vermittelung oder compromissarische Entscheidung beizulegen.

Art. LXI. Außer dem Fall der übernommenen besondern Garantie einer landständischen Verfassung, und der Aufrechterhaltung der über den dreizehnten Artikel der Bundes-Acte hier festgesetzten Bestimmungen, ist die Bundes-Versammlung nicht berechtigt, in landständische Angelegenheiten, oder in Streitigkeiten zwischen den Landesherren und ihren Ständen einzuwirken, so lange solche nicht den im sechs und zwanzigsten Artikel bezeichneten Character annehmen, in welchem Falle die Bestimmung dieses, so wie des sieben und zwanzigsten Artikels auch hiebey ihre Anwendung finden. Der sechs und vierzigste Artikel der Wiener Congreß-Acte vom Jahre achtzehnhundert und fünfzehn in Betreff der Verfassung der freien Stadt Frankfurt erhält jedoch hierdurch keine Abänderung.

Art. LXII. Die vorstehenden Bestimmungen in Bezug auf den dreizehnten Artikel der Bundes-Acte sind auf die freien Städte in so weit anwendbar, als die besondern Verfassungen und Verhältnisse derselben es zulassen.

Art. LXIII. Es liegt der Bundes-Versammlung ob, auf die genaue und vollständige Erfüllung derjenigen Bestimmungen zu achten, welche der vierzehnte Artikel der Bundes-Acte in Betreff der mittelbar gewordnen ehemaligen Reichsstände und des ehemaligen unmittelbaren Reichs-Adels enthält. Diejenigen Bundes-Glieder, deren Ländern die Besitzungen derselben einverleibt worden, bleiben gegen den Bund zur unverrückten Aufrechterhaltung der durch jene Bestimmungen begründeten staatsrechtlichen Verhältnisse verpflichtet. Und wenn gleich die über die Anwendung der in Gemäßheit des vierzehnten Artikels der Bundes-Acte erlassenen Verordnungen, oder abgeschlossnen Verträge, entstehenden Streitigkeiten in einzelnen Fällen an die competenten Behörden des Bundes-Staats, in welchem die Besitzungen der Mittelbar gewordenen Fürsten, Grafen, und Herren gelegen sind, zur Entscheidung gebracht werden müssen, so bleibt denselben doch, im Fall der verweigerten gesetzlichen und verfassungsmäßigen Rechtshülfe, oder einer einseitigen zu ihrem Nachtheil erfolgten legislativen Erklärung der durch die Bundes-Acte ihnen zugesicherten Rechte, der Recurs an die Bundes-Versammlung vorbehalten; und diese ist in einem solchen Falle verpflichtet, wenn sie die Beschwerde gegründet findet, eine genügende Abhülfe zu bewirken.

Art. LXIV. Wenn Vorschläge zu gemeinnützigen Anordnungen, deren Zweck nur durch die zusammenwirkende Theilnahme aller Bundesstaaten vollständig erreicht werden kann, von einzelnen Bundes-Gliedern an die Bundes-Versammlung gebracht werden, und diese sich von der Zweckmäßigkeit und Ausführbarkeit solcher Vorschläge im Allgemeinen überzeugt, so liegt ihr ob, die Mittel zur Vollführung derselben in sorgfältige Erwägung zu ziehen, und ihr anhaltendes Bestreben dahin zu richten, die zu dem Ende erforderliche freiwillige Vereinbarung unter den sämmtliehen Bundes-Gliedern zu bewirken.

Art. LXV. Die in den besondern Bestimmungen der Bundes-Acte, Artikel 16, 18, 19 zur Berathung der Bundes-Versammlung gestellten Gegenstände bleiben derselben, um durch gemeinschaftliche Uebereinkunft zu möglichst gleichförmigen Verfügungen darüber zu gelangen, zur ferneren Bearbeitung vorbehalten. —

Die vorstehende Acte wird als das Resultat einer unabänderlichen Vereinbarung zwischen den Bundes-Gliedern, mittelst Präsidial-Vortrags an den Bundestag gebracht, und dort, in Folge gleichlautender Erklärungen der Bundes-Regierungen, durch förmlichen Bundes-Beschluß zu einem Grund-Gesetz erhoben werden, welches die nämliche Kraft und Gültigkeit wie die Bundes-Acte selbst haben und der Bundes-Versammlung zur unabweichlichen Richtschnur dienen soll.

Zur Urkunde dessen haben sämmtliche hier versammelte Bevollmächtigte die gegenwärtige Acte unterzeichnet und mit ihren Wappen untersiegelt.

So geschehen zu W i e n , den fünfzehnten des Monats May im Jahr Ein tausend Acht hundert und Zwanzig. (Folgen die Unterschriften.)

Empfohlene Zitierweise:
Karl Zeumer: Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit.Tübingen: Verlag von J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1913, Seite 551. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zeumer_V2_551.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2020)