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man sich bey ihnen in rechtlichen und andern wichtigen Sachen einer gleichmäßigen Billichkeit jeweilen nicht zu versehen habe und dahero ans Cammer-Gericht zu appelliren getrungen werde.

§ 109. Wann sich auch aus denen an bemeldtem Unserm Kayserlichen und des Heil. Reichs Cammer-Gericht durch Appellation oder sonsten eingebrachten Rechtfertigungen entweder von wegen Ersetzung der Gerichten oder Administrirung der Justitien einiger Mangel oder sonsten in facto gnugsam verificirt befinden würde, daß aus des Richters Ungeschicklichkeit oder Unerfahrenheit, auch Versäumnis, Corruption oder Boßheit zu jemands Präjuditz, Nachtheil und Schaden geurtheilt und gesprochen, das Recht versagt oder verzogen worden wäre, so solle gegen der schuldhafften Obrigkeit so wohl, als deren geordneten Unter-Richtern gebührende Bestraffung fürgenommen und durch Unsern Kayserlichen Fiscal zu Einbringung solcher Straff, wie sich gebührt, verfahren werden.

§ 110. Zweytens solle der Richter erster Instanz die Parteyen in zweiffelhafften Sachen nicht allein vor angefangenem Recht-Stand und litis contestation, sondern auch in quacunque parte Iudicii durch alle dienliche Mittel und Weg, auch schiedliche Erinnerungen in Güte von einander zu setzen und hierdurch alle weitläufftige kostspaltige Rechtsfertigung zu verhüten sich befleissen, jedoch ehe dann er die Güte den Parteyen vorschlägt, vorhero in den Sachen sich wohl informiren und sein Absehen bey diesen gütlichen Vergleichen dahin jederzeit sorgfältiglich stellen, damit die eine öffentlich ungerechte Sach führende Partey zu demselben nicht gelassen, noch der rechthabende Theil damit beschwert, noch auch die Justitz wider des andern Theils Willen verzogen werde.

§ 111. Drittens sollen hinfüro der Ständen Privilegien de non appellando stricte observirt, und zu solchem Ende die mit aller Churfürsten und Ständen Privilegiis de non appellando verzeichnete in der Raths-Stuben hangende Tafel renovirt und erneuert, deren sowohl die ohnbeschränckte als auf eine gewisse Summa limitirte Privilegia und die Formalitäten derselben eingerückt und zu mehrer und besserer der Cammer-Richter, Präsidenten und Assessorn Nachricht und Observantz in dem Rath öffentlich aufgehenckt werden.

§ 112. Vierdtens solle die Summa appellabilis von 300 Gülden biß in 400 Reichs-Thaler Capital, sowohl auch die krafft des Reichs-Abschieds de anno 1600.[1] um rechten Zinß und Nutzungen angestellte Proceß und derentwegen verordnete 12 Reichs-Gülden künfftig auf 16 Reichs-Thaler, doch mit Vorbehalt eines jeden Stands Rechten, Gerechtigkeiten und Freyheiten, erhöhet werden.

§ 113. Doch mit diesem Zusatz und bescheidentlicher Erinnerung, auf den Fall die Summa nicht appellabel, und den Effectum devolutivum an das Cammer-Gericht nicht gehaben könte, daß alsdann der Partey ordentliche Obrigkeit auf derselben gebührendes Ansuchen und Begehren die vollkommene Acta vermöge des Reichs-Deputations-Abschieds de anno 1600. auf deren zuvor mit Zuziehung und in Gegenwart beyderseits Parteyen oder die Gewalthaber fürgehende Inrotulation (ohne nebenseitige Recommendation) durch gewisse unparteyische Rechts-Gelehrte revidiren, oder auf unparteyische Universität oder anders Collegium Iuridicum zu schicken und dero rechtliches Gutachten darüber zu erfordern schuldig seyn, jedoch abermahls diese Verordnung den Ständen des Reichs an ihren erlangten und hergebrachten Privilegiis, Freyheiten, Lands-Ordnungen, Statuten und sonsten ohne Nachtheil verstanden, sondern dieselbe in ihren Kräfften gelassen werden.

§ 114. Auf daß auch um geringen Vermögens willen niemand an seinen Rechten verkürzet oder hülffloß gelassen werde, so ordnen und wollen Wir, daß, wann ein Appellant in Ermangelung gnugsamer Nachricht von der Obrigkeit und Unter-Gericht, worunter derselbe gesessen und begütert, wie auch, wann keine sonderbahre Gefahr des Meineyds erscheinen thäte, vermittelst eines leiblichen Eyds erhalten kan, daß sein Vermögen sich nicht über 2000 Fl. erstrecket, wann er in sententia um 300 Fl., soviel das Capital anlangt, beschwert wäre, daß ihme die Proceß erkannt und in der Sachen, was Recht ist, geurtheilt werden solle.

§ 115. Und stehet diesemnächst fünfftens bey des Heiligen Reichs Churfürsten und Ständen samt und sonders, über ihre auf eine gewisse Summa habende und hergebrachte Privilegia de

  1. § 14, NS. d. RA. III, S. 476.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Zeumer: Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit.Tübingen: Verlag von J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1913, Seite 451. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zeumer_V2_451.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)