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hast dein Gedächtniß ermattet; bilde deinen Verstand! Du hast dem Scheine zu emsig nachgestrebet, und er hat dich betrogen; suche das Seyn, für dich selbst; es kann doch nicht trügen. Unverdienter Ruhm hat dich verwöhnet; danke dem Himmel, daß du sein los bist, und suche den, der dir nicht geraubt werden kann, in eigenem Werthe. Nichts ist ehrwürdiger und edler, als ein Mensch, der, Trotz des Schicksals, in seiner Pflicht beharret, und wenn er von aussen nicht glücklich ist, es wenigstens zu seyn verdienet: er wirds zu seiner Zeit gewiß werden. Die Schlange der Zeit wechselt oft ihre Häute, und bringt dem Mann in der Höle, wo nicht den fabelhaften Juweel auf ihrem Haupt oder die Rose in ihrem Munde, so doch Kräuter der Arznei zur Vergessenheit des Alten und zur Wiedererneurung.

Die Philosophie ist reich an Mitteln, die uns über erlittene Unfälle trösten sollen; unstreitig aber

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 376. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_398.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)