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ist kein Held in demselben; hinter ihr mag er kriechen, sitzen oder liegen. Der Stand als solcher macht nur Puppen; Persönlichkeit macht Werth und Verdienst. Je mehr jene träge, todte Hülle, die den besten wie den schlechtsten Kern verbirgt, dahin sinkt; desto entschiedner wird der schöne, reifere Kern sichtbar. Gewiß ists also kein Rückgang, vielmehr eine Evolution der Zeiten, wenn der Stand nicht Alles seyn kann, sondern man in jedem Stande Personen, Menschen, wirkende Geschöpfe zu sehen begehret. Und da ohne neueinbrechende Barbarei, bei den täglichvermehrten Bedürfnissen Europa’s dies Gefühl nothwendig zunehmen muß: so bleibt nur Ein Rath übrig, der Jeden vor der Veraltung seines Standes sichert: „sei Etwas in deinem Stande; sodann wirst du der Erste seyn, die Fehler desselben einzusehn, zu vermeiden, und zu verbessern. Sein Alter wir dir verjüngt dastehn, eben weil etwas in Dir ist, das jede Form schmücken würde, und in jeder Form lebet.“

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_394.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)