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Gedächtniß erlag, die übertriebne Mühe ermattete, und zuletzt kam der Mangel am Wesentlichen zum traurigen Vorschein. Ein andrer überstrengete sich als Jüngling mit seinen edleren Kräften. Er häufte mit tausend Händen Berge der Phantasie zum Himmel empor, und fand, auch ohne den Blitz Jupiters, unter ihnen bald seine Ruhestäte. Ein andrer, dem es mit seinem Bemühen und Lernen nur um Gemächlichkeit zu thun war, entsagte dem Bemühen und Lernen, so bald es ihm gemächlich ward; er begrub sich selbst in einen seligen Moder. Jenem Verdienstlosen hat ein unerwartetes Glück, ein zu rasch-erworbener Ruf, eine unversehens-gelungene Handlung den Verstand verrückt; außer ihr hat er keine Gedanken mehr; seine verführende Göttinn Fortuna hat ihn auf einmal mit Lorbeer, Pappela und Mohn gekrönet; er schläft, oder spricht irre in ihrem verzärtelnden Schooße. Diesem Verdienstvollen hat ein unverdientes, zu lange erduldetes

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 351. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_369.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)