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entbehren, und Aristoteles selbst hat deßhalb ausdrücklich ein Gebot gestellet: „In der Tragödie muß man das Wunderbare gebrauchen: denn das Wunderbare ist süß, obwohl das Unvernünftige (d. i. was nicht klar aus der Vernunft folgt) eigentlich der Epopee gehöret;“ da denn alles zuletzt Theils auf die Materie, Theils auf die Macht des Dichters, Theils auf die Nation und das Zeitalter ankommt, für welche das Drama spielet. Was Einem Volk, Einer Zeit unglaublich ist, ists der andern nicht, bei welcher sodann das Wunderbare vielmehr die Seelenkräfte der Zuschauenden erhöhet, ihre Aufmerksamkeit stärkt und ihr Vergnügen, wie ein berauschender Göttertrank, bis zum höchsten Grade vollendet. So scheint es mir mit diesem und vielleicht mit mehreren Indischen Stücken gewesen zu seyn, weil die Hindu’s in diesem Element lebten. Ihr König, der Stammvater aller Könige ihres Reichs, (des ersten Reiches der Erde in ihrer Meinung,) reichte dicht an die Region der Götter;

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_315.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)