Seite:De Zerstreute Blätter IV (Herder) 313.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Gebrauch der Vernunft ists, der die Europäer über alle Völker der Welt, die im Reiche der Phantasie leben, so hoch erhoben, und sie so überlegen wirksam gemacht hat. Der Griechische Weise legt es auch bei der Poesie aufs Lernen an, und findet das Grundgesetz seiner vorstellenden Künste, die Nachahmung, nur deßhalb so angenehm, „weil nicht nur die Weltweisen sondern auch andre Menschen gerne lernen, gern ihr Erkenntniß vermehren.“ Je zusammenhängender und natürlicher sich nun Begebenheit, Charaktere und Leidenschaften entwickeln, desto reicheren und reineren Stoff der Erkenntniß gewähret das Drama; daher er auch seinem Trauerspiel den philosophischen Endzweck geben konnte, „durch Furcht und Mitleid eine Reinigung der Leidenschaften zu bewirken.“ Ein so hohes Ziel hatte das Indische Drama nicht. „Wozu eine lange Rede? sagt der Theater-Director, als Prologus der Sakontala; „Wenn Sie mit Ihrem Putz fertig sind, Madame, so belieben Sie nur zum

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_313.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)