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zu verewigen. Es sei mir vergönnt, diesen Gedanken, der keine Poesie, sondern die schlichteste Wahrheit ist, mit Wenigem zu entwickeln. Ich bin gewiß, daß in jedem edlen Gemüth, das mich höret, sich auch ein Land der Unsterblichkeit aufthun werde, indem jedem sein Herz saget: hier wohnt wahre menschliche Unsterblichkeit, hier oder nirgend. Außer ihr ist Schatten und Orkus.

Das Edelste, was wir besitzen, haben wir nicht von uns selbst; unser Verstand mit seinen Kräften, die Form, in welcher wir denken, handeln und sind, ist auf uns gleichsam herabgeerbet. Wir denken in einer Sprache, die unsre Vorfahren erfanden, in einer Gedankenweise, an der so viele Geister bildeten und formten, zu der auch in andern Sprachen die schönsten Genien des Menschengeschlechts beitrugen, und uns damit den edelsten Theil ihres Daseyns, ihr innerstes Gemüth, ihre erworbnen Gedankenschätze huldreich vermachten. Täglich genießen und gebrauchen wir tausend Erfindungen, die aus alten Zeiten, ja zum Theil von den fernsten Gegenden

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_176.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)