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unser aller Herzen liegt, und den die Phantasie, oder das moralische Urtheil, oder das innerste Gemüth der Menschen auf mancherlei Weise erzogen hat; nicht aber ist sie ein Werk des Wissens oder der noch kälteren Erfahrung.

Es giebt eine andre Unsterblichkeit des Namens und Nachruhms, die ich die historische und dichterische, oder die Kunstunsterblichkeit nennen möchte. Sie scheinet von großem Reiz. Edle, jugendliche Seelen opfern gern vor ihrem Altar; manche leidenschaftliche Menschen haben sie gar zum Einzigen Ziel ihrer Gedanken gewählt und so zu sagen, in ihr gelebet. In den Jugendzeiten der Welt nämlich, war allerdings auch der süße Traum erlaubt, mit seinem Namen, in seiner Person und Gestalt auf die Nachwelt überzugehen, und ein leibhafter Gott zu werden. Der enge Kreis der Empfindungen und Begriffe, in welchem damals die Menschen lebten, das Band einer blühenden und ewigen Sprache, das die verschiednen Stämme Einer gemeinschaftlichen Abkunft mit einander verknüpfte, der

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Vierte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1792, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zerstreute_Bl%C3%A4tter_IV_(Herder)_168.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)